Die Faszination der Postapokalypse

Literatur, Filme, Spiele und was immer sonst noch, die sich mit irgendeiner Art von Apokalypse beschäftigen, sind Legion. Der Mensch ist gut darin, sich Apokalypsen auszudenken :D

Angeregt durch The Division und einen Trailer zu den dort agierenden postapokalyptischen Fraktionen (siehe unten) bin ich gedanklich wieder schön auf das Thema Postapokalypse eingestellt. Was passiert mit dem Menschen, wenn staatliche Ordnungen wegfallen? Eine Frage, mit der sich auch Staatstheoretiker beschäftigt haben. In aller (fast schon sträflichen) Kürze gibt es unten zwei Gedanken aus dem 17. Jahrhundert.

Was bedeutet Postapokalypse?

„Apokalypse“ bedeutet das Ende der Menschheit oder auch den Weltuntergang. Damit ist also im allgemeinen Sprachgebrauch irgendeine Katastrophe gemeint, durch die das Leben auf der Erde aufhört, so zu sein, wie wir es kennen. Die Postapokalypse (lat. post = nach) bezeichnet demnach die Zeit nach einer solchen Apokalypse.

Gedanklich beschäftige ich mich gern damit, was wäre, wenn

  • wir nicht mehr jeden Tag zur Arbeit fahren
  • Geld wertlos geworden ist
  • es die Annehmlichkeiten des Konsums nicht mehr gäbe
  • könnten wir ohne Supermarkt überhaupt überleben?

Aber bevor wir zur Postapokalypse kommen, müssen wir erstmal klären, was denn so ein apokalyptisches Ereignis wäre. Welche Katastrophe könnte die Menscheit nachhaltig beeinträchtigen? Glücklicherweise gibt es dafür in der menschlichen Unterhaltungskultur reichlich Anschauungsmaterial!

Vielfältige Gründe für den Zusammenbruch der Gesellschaft

Hier habe ich zunächst eine Liste von Geschichten aus Buch, Serie, Film und Spiel, die eine solche Postapokalypse zum Thema haben. Die Liste kann gar nicht vollständig sein, aber es ist ein Anfang :D Wem noch weitere Geschichten einfallen: Ich freue mich über deinen Hinweis!

  • Supervirus. Beispiele: The Stand [Buch] von Stephen King, The Division [Spiel], Resident Evil [Filme, Spiele]
  • Naturkastastrophen
    • Asteroideneinschlag. Beispiele: Armageddon [Film], Deep Impact [Film], Realität [frag die Dinosaurier :D]
    • Supervulkan. Blödes Beispiel: 2012 [Film], Realität [bisher nur regional katastrophal: Pompeji, Thera]
    • Invasion von Außerirdischen (Ok, hier geht es mehr um das Zusammenhalten gegen den äußeren Feind, aber dennoch gibt es anarchistische Tendenzen. Beispiele: Independence Day [Film], Krieg der Welten [Buch, Film])
    • Klima. Beispiel: The Day after tomorrow [Film]. Den aktuellen Klimawandel beziehe ich mal nicht mit ein, weil wir noch nicht wissen, ob sie tatsächlich einen Zusammenbruch der Gesellschaft nach sich ziehen wird. Beispiel „Interstellar“ mit Austrocknung der Erde: Katastrophal, aber kein Chaos.
  • Atomare Apokalypse. Beispiel: Metro 2033 [Buch]
  • Rise of the machines! Künstliche Intelligenz richtet sich gegen die Menschheit. Wie bei den Außerirdischen steht da natürlich ein gemeinsamer Gegner im Vordergrund. Beispiel: Terminator [Film] (gepaart mit atomarer Apokalypse), The Matrix [Film],  Battlestar Galactica [TV-Serie])
  • Zombie-Apokalypse. Beispiel: Zombieland [Film], The Walking Dead [TV-Serie], Resident Evil [Spiele, Filme – kenne nur einen Film und wenig über die Hintergrundstory!]
  • Weitere postapokalyptische Szenarien aus Buch, Film und Fernsehen – evtl. ist kein Grund für den Verfall der Zivilisation bekannt
    • Der Dunkle Turm [Buchreihe] von Stephen King, das in einer anderen Dimension eine Rest-Zivilisation zeigt, die in einer Art von Western-Welt überleben, bedroht von vereinzelten Banden oder Mutanten. Dennoch gibt es immer wieder „Relikte des Alten Volkes“, Maschinen, die noch immer funktionieren
    • Waterworld [Film]: Welt ist von Wasser bedeckt, es gibt keine Ordnung mehr, dafür gesetzlose Banden, wie die „Smokers“ unter ihrem Anführer Deacon
    • Mad Max [Filmreihe]: Welt ist von Sand bedeckt, es gibt kein Wasser mehr :D Und natürlich keine Ordnung mehr, außer die von gesetzlosen Banden
    • Einbruch der Nacht [Buch] von Asimov/Silverberg: Auf einem fernen Planeten scheint wegen zwei sechs Zentralsternen immer die Sonne, nur alle paar 1000 Jahre wird es wirklich mal dunkel. Als das passiert, bricht Endzeitstimmung und Chaos aus <3
    • Book of Eli [Film]: Überlebende eines Großen Krieges leben unter erbärmlichen Bedingungen in kleinen Gruppen zusammen, Plünderer ziehen umher
    • Die Stadt der Blinden [Buch]: Plötzliche unerklärliche Erblindung aller Menschen führt dazu, dass man sich nicht mehr vor Strafen fürchten muss, da jegliches organisiertes Leben zusammenbricht..
    • Blackout [Buch]: Ein Hackerangriff auf die Stromnetze führt zu einem wochenlangen Stromausfall in ganz Europa. Das Buch schildert, wie schnell sich die Lebenssituation dramatisch ändert, wenn Millionen Menschen keinen Strom mehr haben.

Da geht einem doch das Herz auf :D Naja – jedenfalls habe ich hier Katastrophen aufgelistet, nach denen auf dem gesamten Planeten plötzlich ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Die staatlichen Ordnungen sind zusammengebrochen und der Mensch befindet sich auf einmal wieder an der Basis der Bedürfnispyramide (Leben sichern, essen, trinken (und WLAN! :D)).

Mad Max: Fury Road
Mad Max: Fury Road

Fragen der Postapokalypse

So spannend schöne Asteroideneinschlagskatastrophenkracherfilme auch sind – meistens wird die Katastrophe in den letzten fünf Sekunden ja verhindert. Das ist schade, denn eigentlich finde ich tatsächlich die Zustände nach der Katastrophe – also die Postapokalypse – viel spannender. Neben all den Fragen zu Wasser und Nahrung

  • Was wird aus dem Menschen, wenn 90% der Bevölkerung tot ist und der Rest einfach nur versucht, am Leben zu bleiben?
  • Wie verändert man sich, wie sehr stumpft man ab?
  • Wie reagiert man selbst, wenn es keine Gesetze mehr gibt und es darum geht, ob ER oder ICH die letzte Konservendose kriegt?
  • Wird aus dem netten Nachbarn auf einmal ein mordender Plünderer?
  • Wohin sollte man sich zurückziehen, um Ärger aus dem Weg zu gehen, abzuwarten und sich zu versorgen?
  • Wie sehr nimmt das Recht des Stärkeren überhand?
  • Oder wird doch bei einem Großteil der Menschen die Vernunft überwiegen, so dass sich schnell neue prästaatliche Oranisationen bilden?

Ich bin sehr fasziniert von diesen Szenarien und verschlinge gern entsprechende Bücher und Filme :D

Der Naturzustand des Menschen

Im Grunde handelt es sich bei einem postapokalyptischen Szenario um die Rückkehr zum „Naturzustand des Menschen“. Damit haben sich schon immer Philosophen und Staatstheoretiker beschäftigt. Zu allen Zeiten der Menschheit wurde das gemeinsame Zusammenleben durch eine übergeordnete Instanz auf irgendeine Art und Weise geregelt (mit temporären und/oder regionalen Ausnahmen in Kriegszuständen).

Könige, Häuptlinge oder demokratische Regierungen gab es aber nicht bei Adam und Eva im Paradies, sie sind nicht der Naturzustand des Menschen („Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“). Daher fragten sich verschiedene schlaue Denker schon immer, wie der Mensch denn wäre, wenn ihm niemand auf die Finger klopfte.

Das war eines der Themen in der Schule, die mich wirklich, wirklich sehr fasziniert haben :D

Thomas Hobbes‘ Leviathan

So schrieb Thomas Hobbes Mitte des 17. Jahrhunderts in seinem Werk „Leviathan“, dass der natürliche Zustand des Menschen der „Krieg aller gegen alle“ (Wikipedia) sei. Beim Wegfall aller Ordnungen gebe es keine Regeln, und das eigene Leben gehe über alles andere. So sei es natürlich, wenn jeder gegen jeden kämpfte, damit die eigenen Rechte nicht beschnitten würden. Das wäre dann ein Zustand, in dem man Kompromisse bestenfalls aus emotionalen Gründen einginge, aber nicht, weil man es müsste oder die Vernunft es vorschriebe.

Thomas Hobbes' "Leviathan" (1651)
Thomas Hobbes‘ „Leviathan“ (1651)

Bei John Lockes Naturrechtslehre (Wikipedia) dagegen, ebenfalls 17. Jahrhundert, kommt wieder eine Art von Vernunft, bzw. ein „natürliches Gesetz“ ins Spiel: Damit ein Zusammenleben irgendwie funktionieren kann, muss der Mensch erkennen, dass er seine eigenen Bedürfnisse nur soweit ausleben kann, wie nicht die von anderen Menschen beschnitten werden.

Ich bin damals wirklich nachdenklich geworden, besonders bei dieser „Krieg aller gegen alle“-Sache. Ist/wäre das wirklich so?

Die verschiedenen ganz oben aufgelisteten Beispiele zeigen im Grunde eine Kombination mehrerer Theorien. Zusamengedampft schließen sich dabei meistens Menschen zusammen, um gemeinsam stärker zu sein:

  • Entweder, um „gut“ zu sein und eine eigene, bzw. neue gerechte Gesellschaft zu bilden,
  • oder aber, um als „starkes Rudel“ die Schwächeren auszubeuten und für die eigene Gruppe, dh. für sich selbst, den größten Gewinn zu erzielen.

Oft geraten dann diese beiden Gruppen in Krieg gegeneinander und die Guten gewinnen natürlich ^^

Beispiel: The Division

In The Division haben wir eine klassische Virusapokalypse. Ein Großteil der Menschheit ist tot, und der Rest versinkt im Überlebenskampf. Ich habe vorher dieses Video gefunden, in dem die verschiedenen Fraktionen im postapokalyptischen New York vorgestellt werden und schreibe den ganzen Text hier, um das Video auf einen tragfähigen Untergrund zu betten :D (Gott, Ubisoft macht einfach episch gute Trailer..)

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Fraktionen in The Division

An gewalttätigen Fraktionen ist so ziemlich alles dabei. Ich seziere:

  • Rioters / Plünderer: Unorganisierte Subjekte, die sich in kleinen Gruppen zum eigenen Vorteil zusammenschließen- und wieder trennen können und insgesamt gnadenlos nach dem Recht des Stärkeren leben, um sich zu nehmen, was sie kriegen können -> Krieg aller gegen alle, es geht ums Materielle und um den Augenblick.
  • Rikers: Besser organisierte Gangs mit Führungsstrukturen, aber vermutlich ohne festes Regelwerk, die in größerem Stil das gleiche machen, ohne Interesse daran zu haben, eine überregionale Macht zu bilden. Sie schließen sich zusammen, um stärker zu sein und tun was sie wollen, weil sie es können -> kleine Kompromisse innerhalb der eigenen Gruppe, Krieg gegen den Rest, um für sich den maximalen Spaß herauszuholen. Vielleicht könnte man da präapokalyptisch die Wikingergruppen, Geißel Europas in den Jahren 793-1066, einsortieren.. Man hat Spaß, solange es geht, weil einen niemand hindern kann.
  • Last Man Battalion: Schon der Name zeigt, dass hier Söldner am Werk sind. Semi-professionelle, vermutlich stark durchhierarchisierte Kämpfer, die die Gelegenheit des Machtvakuums dazu nutzen, eine neue Art von Staat nach eigenen, disziplinbasierten Regeln zu etablieren (vielleicht vergleichbar mit dem Imperium/First Order in Star Wars?). Die Rechte derjenigen, die nicht mitmachen, zählen nicht viel, alle anderen werden sich vermutlich genau wie zuvor irgendwie unterordnen (Bedürfnis nach Ordnung und Regeln im Vergleich zur Anarchie der ersten beiden Gruppen?). Hier geht es nicht um Materielles, sondern um Machtausbau.
  • Cleaners: Fanatiker mit charismatischem Anführer, der es irgendwie schafft, Einzelne in seinen Bann zu ziehen und sie dazu zu bringen, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um SEIN persönliches Ziel zu verfolgen. Die Rechte des Einzelnen interessieren da nicht. Hier passt die Enklave von Immortan Joe aus Mad Max Fury Road oder die von Deacon aus Waterworld sehr gut ins Bild. Könnte man hier auch den Islamischen Staat einordnen? Oder passt der IS eher zu der eisenharten Söldnertruppe?

Wie wird man „böse“?

Das sind im Grunde die Feindgruppen für alle anderen, die keine Gewalt anwenden (können) oder nur in Ruhe leben wollen. Ich frage mich, ob der Otto Normalbürger, sozusagen du und ich, sich einer dieser „bösen“ Gruppen anschließen würde, bzw. was man erleben muss, um das zu tun. Ich bin selbst ziemlich sicher, dass, wenn die Ordnung erstmal weg ist, wirklich Gewalt an der Tagesordnung steht, statt gemeinsame „harmonisch atmen“-Seminare. Irgendwie kann ich mir gut vorstellen, dass viele Menschen dann der Meinung wären, dass mit Anarchie fette Zeiten anbrechen. Oder stimmt das nicht, und die meisten Menschen würden sich doch eher gegenseitig helfen und versuchen, gewalttätige Ansätze anderer zu unterdrücken?

Im Video wird als 5. Fraktion die „Division“ genannt – eine Art Überrest der staatlichen Ordnung, die versucht, die anderen Gruppen zurückzudrängen und die alte Ordnung wiederherzustellen und dabei unbeteiligte Zivilisten zu schützen. Dabei werden die gleichen Mittel angewendet wie beim „Last Man Battalion“, sprich: es darf auf alles geschossen werden, was nach den vorliegenden Regeln, dh. vermutlich was Strafgesetzbuchartiges, als „falsche Seite“ definiert wird, um „Frieden, Freiheit und Rechte wiederherzustellen“ – allerdings ohne Anwendung von Gerichtsverfahren und rechtskräftigen Urteilen. Inwiefern ist die „Division“, die das Recht verteidigt, dann besser als die Söldnertruppe?

Exkurs zur „Sozialstudie in World of Warcraft“

Das ist zwar nicht postapokalyptisch, hat aber auf anderer Ebene mit Soziologie zu tun – und genau darum geht es ja hier: Verhalten von Menschen in Situationen abseits des Normalzustands.

Vielleicht ist die Menschheit doch noch nicht ganz verloren :D Hier in WoW hat die Vernunft gesiegt, die Spieler haben sich in einer Schlange aufgestellt.

WoW Warlords of Draenor Release 2014
Release Warlords of Draenor November 2014

Viele Spieler wollen das gleiche

Die Situation stellte sich hier Ende 2014 so dar: Hundert Spieler (ich weiss nicht, wie viele, aber auf dem Screenshot sieht man ziemlich viele) mussten alle ein einziges Objekt im Spiel benutzen, das frei in der Landschaft stand. Es konnte immer nur einer, das Benutzen dauerte eine halbe Minute oder so, dann konnte der nächste. Das war ein Bug, also so nicht gewollt, und das Problem war auch am nächsten Tag schon behoben.

Normalerweise ist die Egomanenschwelle bei Online-Spielen sehr niedrig. In der Anonymität wird man nicht bestraft. Für diese Situation gab es keine Regeln, also kann man sich verhalten wie die Axt im Walde. Das ist einfach so. Daher hätte ich niemalsniemalsniemals erwartet, dass das hier passiert ist. Als ich dort ankam, war die Schlange schon da. Ich habe keine Ahnung, wer es geschafft hat, die zweifellos genervten Spieler dort dazu zu bringen, sich anzustellen. Aber ich würde es echt gern wissen ^^

So weit das Auge reicht, stehen also Spieler anständig in einer Schlange und rücken langsam vor zu dem Objekt, das sie anklicken wollten. Ich hätte erwartet, dass sich alle Spieler um das Objekt herum drängeln und jeder im Halbsekundentakt auf das Item klickt, um mit Glück als nächster dranzukommen. Aber dem war nicht so. Wenn auch nur 5 Leute das so gemacht hätten, dann hätte sich sonst niemand angestellt, um eine Stunde zu warten..

Die Vernunft siegt?

Offenbar hat hier das Kollektiv irgendwie eingesehen, dass es nötig ist, ausnahmsweise mal nicht Arschloch zu sein. Stattdessen hatten Vernunft und Fairness Vorrang. Und das, obwohl niemand hätte verhindern können, dass ein anderer nach vorne gegangen wäre, um sich die Wartezeit in der Schlange zu ersparen. Wirklich JEDER hat sich hinten angestellt oO

Wenn sowas möglich ist, dann können Menschen in anarchistischen Situationen vielleicht doch Rücksicht auf Vernunft, Fairness und Leib und Leben anderer Menschen nehmen.. :D

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