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Alternative Realität am Samstag Abend

Arizona Sunshine

In diesem Beitrag soll es nicht vornehmlich um das weder besonders einfallsreiche, noch besonders appetitliche Spiel Arizona Sunshine selbst gehen. Im Mittelpunkt stehen eher drei Stunden an einem Samstagabend, die ich damit verbrachte, mit einem Freund durch verlassene Camps zu laufen und auf wandelnde Matschbirnen zu schießen.

Ok, von vorne. Mit meiner Oculus Rift habe ich bisher eigentlich nur Single Player-Spiele ausprobiert, in denen man sich – wie der Name schon andeutet – allein auf die Socken macht, um irgendwas zu erleben. Da niemand meiner Bekannten selbst eine VR-Brille hatte, war ich also zur Einsamkeit verdonnert. Bis vor kurzem. Ich bin nicht ganz unschuldig daran, dass mein alter Kumpel Ray aus WoW-Zeiten sich auch eine Rift besorgte :D Und nun hat er eine und wir loten natürlich die Möglichkeiten aus, was man zusammen in der VR unternehmen kann. Vorletztes Wochenende hingen wir in seinem spartanisch eingerichteten Haus herum – virtuell natürlich. Ray wohnt in Nordrhein-Westfalen, ich in Baden-Württemberg.

Wir überlegten, was wir machen können. Gelangweilt schoss ich mit Pfeilen erst auf Bälle, die er durch die Gegend warf (die Pfeile bleiben im fliegenden Ball stecken!), und dann auf seinen riesigen Flachbildschirm an der Wand (auch da bleiben die Pfeile stecken ^^). Auf dem Flachbildschirm hatte Ray seinen aktuellen PC-Desktop gespiegelt und offen war der Oculus-Shop mit den Spielen, die es dort zu kaufen gibt.

Mein Blick fiel auf das Spiel Arizona Sunshine, das schon länger auf meiner Wunschliste stand. „Hast du dir das mal angeschaut?“, fragte ich Ray, der mittlerweile mit einem Blaster irgendwelche Plasmabolzen durch mich hindurchschoss. „Ne, noch nicht wirklich. Kann man das zu zweit spielen?“. Kann man. Während wir nun auf den 10-GB-Download warten, kann ich ja doch mal ganz kurz was über Arizona Sunshine erzählen :D

Arizona Sunshine
Hier hat die Apokalypse für Unordnung gesorgt © Vertigo Games

Auf der Suche nach Überlebenden

Es gab eine Zombie-Apokalypse, ungefähr so wie in The Walking Dead. Der Spieler, der nicht näher vorgestellt wird und den ich deswegen einfach Player One nenne, scheint der letzte Überlebende irgendeiner Krankheit zu sein. Alle anderen Menschen haben sich jedenfalls in verrottende Untote verwandelt, schlurfen durch die Gegend und stürzen sich sofort auf Player One, sobald der nahe genug kommt. Player One möchte nicht gefressen werden, oder was auch immer Zombies halt mit lebendigen Menschen machen, und nutzt zur Verteidigung das ansehnliche Schusswaffenarsenal, das in Häusern und Autos der Spielwelt im amerikanischen Westen eben so herumliegt.

Soweit, so gut, aber das ist ja keine Perspektive für den Rest des Lebens. Deswegen ist Player One auf der Suche nach weiteren Überlebenden. Im Radio hat er eine Durchsage von anderen Überlebenden in einem Ort namens Arizona Sunshine gehört, die ihm Hoffnung macht. Daraufhin macht er sich also auf den Weg durch die rötliche Canyon-Landschaft und folgt den Spuren anderer Menschen.

Zombie in Arizona Sunshine
So nah sollten sie besser nicht kommen © Vertigo Games

Ab nach Arizona Sunshine

Fertig gedownloadet starten wir auch schon ins Spiel. Die Kampagne mit der Suche nach Überlebenden kann man allein oder zu zweit spielen. Wir starteten zu zweit, vertont (auch deutsch) ist aber nur ein einziger „Player One“, der uns mit seinen markigen Sprüchen sogar den einen oder anderen Lacher entlocken kann.

Mit den Rift Touch Controllern, mit denen sich die Funktionen einer Hand ganz gut abbilden lassen, können wir vorsichtig Haustüren öffnen und Kühlschränke und Schubladen nach Verwertbarem durchsuchen. Oder Gegenstände, die im Weg herumliegen, zur Seite räumen. Auch Autos und sogar Autokofferräume sind vor uns nicht sicher.

Arizona Sunshine ist ein Abenteuer-Survival-Shooter, den der Spieler natürlich aus der Ego-Perspektive erlebt. Wo sonst würde das mehr Sinn machen als in der Virtual Reality :D Kein Ego-Shooter am PC mit Maus- und Tastatursteuerung kann sich so echt anfühlen wie ein Ego-Shooter in der VR, wo wir schließlich tatsächlich den Arm heben, um mit der Waffe auf den verranzten Zombie zu zielen, der gerade über einen Zaun geklettert ist und jetzt mit verzerrtem, zerfleddertem Gesicht genau auf uns zu rennt. Ohne schlechtes Gewissen bringen wir dieses unmenschliche Ding mit einem gezielten Schuss über Kimme und Korn zur Strecke.

Am Anfang starten wir mit einer einfachen Pistole. Munition liegt – je nach Schwierigkeitsgrad – ausreichend herum, zum Nachladen brauchen wir nur per Knopfdruck das leere Magazin auswerfen und die Waffe kurz an die Hüfte halten, wo die Munition am Gürtel hängt. Nach und nach finden wir weitere Waffen, darunter schöne, altmodische Revolver, aber auch Schrotflinten, Maschinenpistolen und sogar Granatwerfer. Letzteres ist sehr hilfreich, wenn auf einmal zig Untote auf dich zu rennen. Hier erfährt man übrigens auch, was es bedeutet, Rücken an Rücken zu kämpfen :D So deutlich erleben kann man das in keinem „normalen“ Videospiel am Monitor.

Sind Untote in der Nähe, können wir die meistens schon ganz gut an ihrem ungesund klingenden Röcheln orten. Oftmals öffne ich erst langsam eine Tür und schaue vorsichtig um die Ecke, um zu prüfen, ob mir das Viech sofort ins Gesicht springt oder ich in Ruhe zielen kann. Durch die realistische Verhaltensweise versinkt man so völlig im Geschehen der alternativen Realität :D Im folgenden Gameplay-Video des Anbieters bekommst du einen Eindruck:

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Schlurfen im Dunkeln

Schon nach kurzer Zeit betreten wir eine Mine. Lorengleise führen steil nach unten ins Dunkle – und es gibt nur vages Licht. Wir hören es sofort: Dort unten sind zahlreiche Untote unterwegs. Das könnte unheimlich werden. Glücklicherweise lag auf halbem Weg nach unten ein grüner Leuchtstab herum, den ich gleich mitnahm und wie Frodo Galadriels Licht in der Höhle von Kankra nutzte, um die Umgebung wenigstens ein bisschen auszuleuchten.

Irgendwann hatte ich das Teil aber verloren und stand komplett im Dunkeln. Schemenhaft konnte ich ein paar Meter weiter vorne schlurfende Umrisse erkennen, hatte sonst aber völlig die Orientierung verloren, und aus allen Ecken das Zombie-Geröchle – da wird einem schon leicht anders. Ich schoss auf das Ding und konnte durch den Mündungsblitz immerhin ganz kurz die Umgebung erkennen. Auch eine wirksame Methode. Zum Glück kam dann Ray mit einer Taschenlampe daher, die schlaglichtartig Licht ins Dunkel brachte. Selten ist man so froh darüber, wieder etwas sehen zu können – wenn auch nur einen kleinen Ausschnitt der Umgebung.

Dennoch folgte dann noch ein Moment, der nicht ganz so einfach zu bewältigen war. In einem schwach beleuchteten Bereich lockten wir durch ein (gescriptetes) zu lautes Geräusch jede Menge Untote an, die aus allen Richtungen aus mehreren Seitengängen auf uns zuströmten. Wir standen mit dem Rücken zur Wand und schossen aus allen Rohren, aber dennoch haben uns die Viecher überrannt. So cool man auch visiert und schießt, solange die Zombies auf Abstand sind, so sehr verfällt man dann doch in Panik, wenn sie auf einmal direkt vor einem stehen und beginnen, an dir herumzuzerren. Ich vergaß zu laden, hörte nur noch das Klicken der Waffe, wollte weglaufen, war aber umstellt und das wars dann mit Lucyda.

Leichte Horrormomente in Arizona Sunshine
Ok, der hier ist nun wirklich nicht zu übersehen © Vertigo Games

Wir begannen die Sequenz erneut und suchten uns einen besseren Platz. Es ist wirklich eine interessante Erfahrung, in einer dunklen Mine unterwegs zu sein und mit Waffen in jeder Hand auf Zombies zu schießen, die aus allen Richtungen auf einen zukommen (auch von hinten!) – so oft erlebt man das sonst nicht im normalen Leben.

Endlich konnten wir dann einen Aufzug in Gang setzen und die dunkle Mine hinter uns lassen und schnetzelten uns weiter durch verlassene Camps, über Brücken, Bahnhöfe und Highways mit Autostaus.

Trennung des Körperlichen vom Geistigen

Irgendwann in einem ruhigen Moment schob ich kurz die VR-Brille ein wenig hoch, um sie besser zurechtzurücken. Dabei stellte ich fest, dass ich komplett im Dunkeln stand. Pierre war an diesem Abend bei einem Freund und ich somit allein zu Hause, und die smarte Zimmerbeleuchtung ist so eingestellt, dass die um Mitternacht langsam ausgeht. Es war stockduster im Zimmer – kein leuchtender Monitor, keine Schreibtischlampe, kein nix. Es kam mir komisch vor, ich hatte fast völlig das Gefühl für Zeit und Raum verloren. Egal, ich zuckte mit den Achseln, in Arizona Sunshine scheint ja die Sonne. Ich ließ es dunkel, setzte die Rift wieder auf und gesellte mich zurück zu Ray.

Dennoch – dieses Bild blieb mir haften. In vollständiger Dunkelheit sind Menschen in der Regel nicht bei vollem Bewusstsein. Was soll man auch machen, wenn es ganz und gar dunkel ist? Hätte aber in diesem Moment jemand mit einem Nachtsichtgerät in unser Wohnzimmer geschaut, hätte er in einem komplett dunklen Raum einen wachen und aktiven Menschen gesehen, der sich bewegt, mit jemandem spricht und offenbar schwer beschäftigt ist.

Arizona Sunshine
Arizona Sunshine sieht für VR tatsächlich ziemlich gut aus

Und zwar, weil dieser Mensch sich mit seinen Gedanken und Bewegungen gar nicht in diesem Raum befindet. Das habe ich irgendwie nie deutlicher realisiert als hier, als ich kurz aus meiner zombieverseuchten virtuellen Realität voller Aktivität in eine Realität wechselte, die derzeit nicht für einen aktiven Menschen konfiguriert war.

Ein wenig komisch ist das schon. Denken wir kurz an den Filmklassiker Matrix: Alle Menschen liegen in irgendwelchen Brutkästen in einer dunklen, menschenfeindlichen Welt. Geistig sind sie aber ganz woanders, nämlich in der Matrix, die sie als ihre Realität kannten.

Und bei mir war es nun ganz ähnlich. Licht aus? Egal. Und warum wieder anmachen, ich brauche doch gar nichts zu sehen, dort, wo mein Körper ist. Denn da, wo meine Gedanken sind, da ist es ja hell. Ich erlebte sehr präsent die Trennung der Welt des Körpers von der Welt des Tuns und Erlebens. Huh, komische Zeiten.

Zurück in die Realität

Nach drei Stunden Zombies jagen und von Zombies gejagt werden hörten wir dann auf. Es war circa halb zwei nachts, und mittlerweile war auch Pierre wieder zu Hause und hatte Licht angemacht (braucht er ja, als VR-loser Mensch). Das war einsamer Rekord, nie zuvor war ich so lange ohne Pause in der VR, und ich spürte es in den Beinen. Drei Stunden breitbeinig herumstehen, um durch die vorgegaukelte Bewegung ingame nicht umzukippen, das bemerkt man :D

Und durch die schmerzenden Beine spürte ich so tatsächlich etwas von unseren Streifzügen durch Arizona. Virtual Reality versetzt den Spieler von einer Welt in eine andere, lässt ihn dadurch sehr realistisch wirkende, sonst eher unmögliche Erlebnisse erleben und holt ihn weg von der Couch oder dem Schreibtischstuhl („Sitzen ist das neue Rauchen“). Ich bin wirklich froh und dankbar dafür, diese Möglichkeiten nutzen zu können :D Denn auch wenn Spiele wie Arizona Sunshine ziemlich primitiv sind, so tun sie doch ihren Zweck: Sie unterhalten, ermöglichen es, mit Freunden unterwegs zu sein und regen tatsächlich zu mehr Bewegung an, als nur vor dem Rechner zu sitzen.

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