Zwischen Mooren und Mühlen 🥰 Liebeserklärung an die neue Wahlheimat

Ein halbes Jahr ist nun also schon seit dem Umzug in unser Haus vergangen. Und jeden Tag wird mir wieder neu bewusst, wie sehr ich es liebe, hier zu sein. Also

  • hier, im Norden, im Landkreis Stade, zwischen Hamburg, Bremen und Cuxhaven.
  • Und hier, in diesem, unserem Haus, auf unserem Grundstück.

Dieser Beitrag handelt über beides: Sozusagen ein neues Leben in einer ganz anderen Region, aber auch den Gewinn an Lebensqualität, sich einen Lebenstraum erfüllt zu haben.

Immer wieder kommt ganz plötzlich so ein Urlaubsgefühl auf: Wenn es regnet, wie in den letzten Wochen so oft, und ich gehe vor die Tür und auf einmal rieche und höre ich Schottland. Oder der Geruch von sonnenerwärmten Holzbalken auf der Veranda, auf einmal fühle ich mich wie in Italien. Sich im Wind wiegende Halme irgendwo auf dem Grundstück versetzen mich zwischen Dünengras in Dänemark. Oder ein Geruch im Haus und ich erinnere mich an die Vorratskammer bei Oma damals.

Foto von bunten Blumen vor unserer Veranda
Diese bunten „Binenblumen“ hab ich im Frühjahr gesät und freue mich im Sommer täglich darüber

Sowas hatte ich noch an keinem anderen Wohnort sonst, dieser immer wiederkehrende Eindruck von: Du bist hier im Urlaub. Es geht dir gut :D

In diesem Beitrag nehme ich dich mit und zeige dir, was hier alles glücklich macht.

Kurzer Disclaimer dazu: Ich werde hier viel von unserem neuen Leben in Niedersachsen schwärmen. Ich finde es hier so schön. Bitte missverstehe das aber nicht als “Gegenteil zum Süden”. Das soll keine Gegenüberstellung im Sinne von Besser und Schlechter sein. Ich habe den Großteil meines Lebens in Süddeutschland verbracht und weiß daher, dass es dort wunderschöne Fleckchen mit heimeligen Fachwerkhäusern und süßen Sträßchen gibt. Dieser Beitrag soll keine anderen Regionen diffamieren :)

Nachdem ich erst, vor dem Hauskauf, noch befürchtete, das hügelige Süddeutschland zu vermissen, merke ich erst jetzt, wie eingeengt ich mich in den letzten 12 Jahren gefühlt habe. In den 12 Jahren lebte ich am Rande des Odenwalds, einem Mittelgebirge, und somit immer an irgendwelchen Steigungen. Das hat wahnsinnig schöne Aussichten produziert. 

Aber ich, die ich früher gern Inliner oder Fahrrad fuhr, hatte überhaupt keine Lust mehr, mich auf die Räder zu schwingen. Ich liebe es, durch die Landschaft zu fahren, aber nicht, wenn ich mich dabei krebsrot im Gesicht und schweißüberströmt einen Berg hochquälen muss.

Hier, im Norden, gibt es keine Berge. Alles ist flach ^^ Ich steige aufs Fahrrad und fahre los, zwischen Feldern, Mühlen und Mooren, und genieße die weiten Ausblicke über die Landschaft und die schnuckeligen Häuser und allgegenwärtigen Bauernhöfe.

Landschaftsfoto mit Feldern, Mais und einem Bauernhof im Hintergrund
Land-Idylle ^^

Alleen und Backstein im ländlichen Niedersachsen

Aber tatsächlich, der Norden ist so ganz anders als der Süden. Hier gibt es Alleen! Aus Bäumen! Sowas hab ich im Süden nie gesehen. Klar, Straßen durch Wälder durch, aber eben keine ordentlich an Straßen entlang gepflanzte Baumreihen. Früher* gab es die auch im Süden, aber irgendwann wurden die Bäume gefällt.

Alleen können gefährlich sein: Wenn Autos an Bäume scheppern, gewinnen eben die Bäume. Und ich hörte mal, dass das flackernde Sonnenlicht beim Durchfahren von Alleen bei manchen Menschen eine Epilepsie auslösen kann. Beides ist nicht schön, aber da ich nicht betroffen bin, sehe ich nur das Schöne: Bilderbuchreife Alleen und Autofahren im Schatten 😀

* Lange vor meinen Lebzeiten, ich weiß nicht, wann sie verschwunden sind. Ich erinnere mich aber an eine beispielhafte historische Quelle, die im 18. Jahrhundert von der Errichtung einer “Chaussee mit Bäumen” bei Heidelberg berichtet.

Foto einer Allee mit Maisfeldern daneben
Allee UND Maisfelder neben der Straße, also diese Straße ist fein eingerahmt. Im Frühling weite Sicht über die Felder, im Sommer grüne Wand

Und wenn wir bei den Straßen bleiben: Auch Kopfsteinpflasterstraßen oder sonst wie “gelegte” Straßen, etwa aus Ziegeln oder Betonblöcken, gibt es hier hin und wieder. In Süddeutschland kenne ich das maximal aus den Fußgängerzonen in den Altstädten (und dann gibt es Beschwerden, weil die Touristinnen sich mit High Heels die Füße brechen). 

Aber hier kommt es durchaus vor, dass die Zufahrtsstraße zu einem abseits gelegenen Örtchen mit Kopfsteinen gepflastert ist.

Foto einer Kopfsteinpflasterstraße durch eine Siedlung
Hier gibt es Kopfsteinpflasterstraßen!
Foto der Wehbers-Mühle in Himmelpforten
Die Wehbers-Mühle in Himmelpforten, in 13. Generation in Familienbesitz und noch bis 1971 im Mühlenbetrieb

Auch Mühlen gibt es hier viele. Also typische, alte Windmühlen. Heute sind das oft Heimatmuseen oder Cafés, aber sie sind eben noch da, und sie scheinen irgendwie überall zu sein, allein in der nächsten Umgebung bis maximal 15 Minuten Autofahrt kenne ich schon drei. Im Süden: Fehlanzeige. Wo sind die Süd-Mühlen hin? Möglicherweise gab es dort mehr Wassermühlen, aber mir fällt nicht wenigstens eine einzige beispielhafte Windmühle im Süden ein.

Schön finde ich hier dann, wenn man alte Windmühlen in einem Bild mit modernen Windkraftanlagen sieht – das Prinzip der erneuerbaren Energien funktioniert heute so gut wie damals :D

Und wenn wir schon bei Gebäuden sind: Nach einem halben Jahr sind für mich die allgegenwärtigen Backsteinhäuser noch immer nicht normal geworden. Unten im Süden verputzt man Häuser meistens. Verputzte Häuser sind hier im Norden die absolute Seltenheit. Rote Backsteinhäuser, so weit das Auge reicht, und wegen der flachen Landschaft reicht es ziemlich weit – außer, wenn der hochgewachsene Mais die Sicht versperrt.

Auch Häuser mit Reetdächern gibt es hier. Sie sind zwar eher selten, aber es gibt sie, ein gewisser, wenn auch kleiner, Prozentsatz der Häuser hier hat ein strohgedecktes Dach. Für die Baden-Württemberger Augen ist das immer etwas Besonderes :D Dort gibt es keine Reetdächer.

Unsere Region ist sehr von Mooren geprägt. Klar, die meisten wurden irgendwann trockengelegt und mittels Entwässerungsgraben zu landwirtschaftlichen Flächen umgebaut. Viele Ortschaften haben ihr Moor aber noch im Namen, z.B. – haha – Moorausmoor (Ortsteil von Stinstedt, im 18. Jahrhundert als Moorkolonie gegründet und trägt einen Torfspaten im Wappen) oder eben Neuland.

Foto einer Moorlandschaft
Das Hohe Moor im Landkreis Stade im März
Foto eines Moor-Sees
Das Hohe Moor (andere Stelle) im August

Eine interaktive Karte mit der historischen Moorverbreitung in Niedersachsen gibt es hier (klicke dort auf “GUM50 im NIBIS® KARTENSERVER”).

Im Landkreis Stade gibt es z.B. noch das “Hohe Moor”, ein Naturschutzgebiet und Moorlandschaft, die wieder renaturiert wird. Dort gibt es größere und kleinere Seen und eben Moor. Bei Nebel sehen die aus dem Wasser ragenden abgestorbenen Stämme sicher ziemlich gespenstisch aus. Hier siedeln sich ursprüngliche Arten langsam wieder an.

Und auch sonst – Entwässerungsgraben sind allgegenwärtig. Man sieht, dass der Mensch dem Land den festen Grund und Boden mit viel Mühe abgerungen hat. 

Foto eines kleinen Gewässers entlang einer Straße
Graben oder Teich? Man weiß es nicht ^^

Und es gibt viele größere Wildvögel! Anfang des Jahres konnten wir Wildgänse auf den Auen beobachten, die dann später Richtung Norden abgezogen sind. Dafür kamen dann die Störche zurück aus dem Süden. Davon scheint es hier keinen Mangel zu geben. Offenbar wurden 2019 in Bayern 600 Störche beobachtet – kürzlich sah ich “drei Felder weiter” beim Vorbeifahren allein um die 20 Störche auf einer Wiese herumstaksen. Und auch sonst sieht man immer wieder vereinzelt ein paar Störche.

Wenn man das alles so zusammen ins Bild setzt und sich vorstellt, mit dem Fahrrad im Hinterland unterwegs zu sein, zwischen Mooren, Mühlen, Höfen und Weiden – dann fällt es mir nicht schwer, vor dem inneren Auge ein Pferdefuhrwerk zu sehen. Hier bei uns kommt man in wenigen Minuten über Fahrradwege so weit weg von jeglichem Straßenlärm und Aussichten auf das nächste Groß-Versandzentrum oder sonstige Hallen, in eine Welt der Bauernhöfe, dass man sich problemlos um 100 Jahre in der Zeit zurückversetzt fühlt.

Auch das finde ich unglaublich schön. Ich kann mir hier problemlos ein “Immenhof-Setting” aus den 50er Jahre-Heimatfilmen vorstellen :D Und diese alten Schinken stehen ja nun für jugendliche Lebensfreude und Unbeschwertheit. Man kann hier einfach so die Probleme der modernen Welt ausblenden. 

Das kannte ich bisher von keinem anderen Ort, an dem ich wohnte.

Der Norden ist … Sehnsucht ^^

Im Laufe meines Lebens hab ich schon bei Tübingen und Böblingen gewohnt (zentrales Baden-Württemberg), bei Dortmund (NRW) und zuletzt eben um Heidelberg herum (nördliches BW). Das war alles irgendwie “normal” – nichts Besonderes. Okay, auf Heidelberg war ich schon stolz, weil das eine weitläufig bekannte Stadt ist. Aber trotzdem, das alles waren ganz normale Orte, in denen Menschen halt wohnen.

Hier im Norden fühlt es sich irgendwie an wie ein Privileg, hier zu wohnen? Vielleicht, weil sich die Gegend und die Bebauung vor allem optisch so sehr vom hügeligen Süden unterscheidet? Hier kann man sagen “in der Nähe der Nordseeküste” – und ich möchte schon fast ein “woooooow” dazu sagen :D

Wir wohnen “quasi am Meer” – woooow! Manchmal hört man sogar über unserem Haus Möwen kreischen. Woooow! In unserer Kreisstadt, der Hansestadt Stade, gibt es einen Hafen, der im Mittelalter mit Hamburg konkurriert hat. Wooow! Hier leb(t)en Kapitäne, Seefahrer! Wow 😀

Foto von Lucyda am Elbstrand
An der Elbe bei Stade

“Der Norden” bringt irgendwie so ein raues Flair mit: Die See, Sturmflut, starke Winde, Fischfang, Moore – “der Norden” ist einfach irgendwie abenteuerlich. Und geht man noch ein (gutes) Stück weiter, gibt es sogar Polarlichter. Ja, ich übertreibe, so rau ist es hier gar nicht. 

Aber für mich ist “der Norden” einfach …. toll. Hier sagen sie alle “moin” und ich steige da gern mit ein – moin all day long! Ich arbeite in Hamburch und mache Klönschnack (Small Talk) ^^

Natürlich, wer sein Leben lang hier lebte, findet nichts daran besonders. Vielleicht findet derjenige dafür den Süden mit dem Schwarzwald und der Alb oder dem Allgäu viel interessanter. Für mich ist aber alles neu und anders, und ich würde am liebsten ein Schild über dem Kopf tragen, dass ich jetzt ein Nordlicht bin! 

Zwar stamme ich nicht gebürtig von hier, aber ich hab nur die ersten zwei Jahre meines Lebens in der Region gelebt, in der ich auch geboren wurde. Da ist es sowieso schwierig, eine “Heimat” zu definieren. Immerhin kommt meine Urgroßmutter aus Oldenburg, das gibt immerhin ein paar Nordlicht-Gene :D 

Noch nie hab ich mich jedenfalls so heimisch an einem Wohnort gefühlt wie hier. 

Stade, Hamburg und die Elbe

Wir haben uns bei der Suche nach einem Haus in erster Linie auf das Haus und dessen Lage konzentriert. Als ich aber zum ersten Mal in unserer Kreisstadt Stade war, westlich von Hamburg an der Elbe gelegen, wurde mir klar, dass wir auch darüber hinaus Glück hatten. “Unsere Stadt” ist ein absolutes Goldstück!

Landschaftsfoto
Maisfeld vor dramatischer Wolkenkulisse

Die Hansestadt Stade hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die 994 mit einem Eintrag über einen Wikingerüberfall auf die Stadt erstmals schriftlich erwähnt wurde. Stade entwickelte sich zu einem wichtigen Hafen an der Elbe, flog aber wegen diverser Machenschaften 1601 aus der Hanse. Erst 2009 durfte sich Stade wieder als Hansestadt bezeichnen, „wegen seines Charakters als Seehafenstadt“ (Wikipedia).

Die Weltkriege ließen Stade unversehrt, und so hat Stade eine sehenswerte Altstadt mit vielen alten Häusern. Herzstück der Stadt ist der alte Hafen, an dem früher die Schiffe ankerten. Drumherum gibt es heute jede Menge Restaurants und Cafés. Hier kann man wunderbar flanieren und die alten Häuser bestaunen. Ja, ich bin verliebt in Stade und würde Stade vermutlich sogar Heidelberg vorziehen (wegen der vielen Touristen dort). Stade ist einfach ein Geheimtipp.

Auch aus anderen Gründen finde ich Stade super: Das Gewerbegebiet mit allen notwendigen Geschäften ist von uns aus in nur ein paar Autominuten erreichbar. Ja, wir wohnen komplett abgelegen mitten in der Natur. Aber noch nie konnte ich so schnell so viele Geschäfte erreichen :D Ein Paradox <3

Auch die Elbe hat mich überrascht. Ich dachte, joah, das ist eben ein Fluss, so wie der Neckar bei Heidelberg. Nein, eigentlich ist die Elbe für Besucher eher ein Strand, inklusive Gezeitenwirkung des Wassers.

Foto vom Sandstrand an der Elbe mit Schiff auf dem Wasser
Am Elbstrand „Krautsand“

Sitzt man am Elbstrand bei Stade, z.B. an der Festung Grauerort bei Stade oder bei Krautsand, kann man außerdem “den großen Pötten” auf dem Fluss zuschauen. So ein 400m-Containerschiff hält natürlich nicht mehr in Stade – die fahren weiter nach Hamburg. Aber sie fahren eben genau hier vorbei. Schiffe schauen macht richtig Spaß :D Insbesondere, wenn man gleichzeitig auf vesselfinder.com nachschauen kann, was für Schiffe das genau sind, die da vorbei fahren.

Hamburg ist von uns nicht unbedingt schnell zu erreichen. Die Fahrt mit der S-Bahn dauert von Stade aus über eine Stunde. Aber man kann es auch so sehen: Hamburg ist in nur einer Stunde erreichbar! Bisher kannte ich “nur” “Provinzstädte” wie Stuttgart, Dortmund, Heidelberg und Mannheim. Eine Weltstadt wie Berlin, München, Köln oder eben Hamburg hatte ich nie in solch greifbarer Nähe. Allein die Möglichkeiten an Museen und (veganen) Restaurants dort hauen mich um. 

Foto von Lucyda auf einem kleinen Schiff zur Hafenrundfahrt in Hamburg
Hafenrundfahrt in Hamburg :D

Ab September werde ich selbst mindestens einmal die Woche in Hamburg sein und werde die Gelegenheit nutzen, Großstadt-Flair zu schnuppern.

Hamburg ansich, das muss ich aber zugeben, finde ich nicht “schön”. Nach dem 2. Weltkrieg ist von der ursprünglichen Stadt nicht viel übrig, es ist eben eine Betonwüste. Aber eine, die was bietet. Zum Beispiel hat hier vor ein paar Wochen das Segelschiff Göteborg angelegt. Dazu all die Museen, die vielen Veranstaltungen und natürlich die riesige Auswahl an (veganer) Gastronomie, die in kleineren Städten quasi eher nicht vorhanden ist.

Foto: Göteborg im Hamburger Hafen
Besichtigung der „Göteborg“ in Hamburg: Originalgetreuer Nachbau eines Segelschiffs aus dem 18. Jahrhundert

Dann wäre da noch die Küste. Ich war immer mehr Berg-Mensch als Meer-Mensch. Es reizt mich nicht so, in der Nordsee zu schwimmen oder ganze Tage am Strand zu verbringen. Aber ich mag das Meer. Natürlich ist Meeresrauschen entspannend, Sand zwischen den Zehen, Wind auf den Dünen – ich liebe es. Wir haben noch nicht “unseren” Spot an der Nordsee. Tatsächlich waren wir noch gar nicht an der Nordsee bei uns in der Nähe. Nur an der Elbe und auf Norderney, was immerhin 3-4 Stunden Fahrt von uns entfernt ist.

Ich liebe es, die Möglichkeit zu haben, “mal fix” hoch an die Küste zu fahren – auch, wenn wir das nur selten tun. Ich bin besonders auf die Herbstmonate gespannt, vielleicht schauen wir uns mal die stürmische See an. 

Insgesamt liebe ich es, hier zu sein, hier im Norden, in dieser Region, in diesem Landkreis. Und damit kommen wir nun langsam mal zu unserem Haus :D Denn das liebe ich auch.

Selfie von Lucyda
Auf der Fähre nach Norderney
Foto von Lucyda am Strand
Am Sandstrand von Norderney

Aug’ in Aug’ mit der Landwirtschaft

Wenn es eine Definition von “Landei” gibt, dann trifft das wohl auf uns zu. Wir sind nur über eine “nur für Anlieger”-Straße zu erreichen. Die Welt weiß gar nicht, dass es uns gibt ^^

Hier ist die Landwirtschaft allgegenwärtig. Nachdem ich mittlerweile selbst eine gute Weile Landwirtschafts-Simulator gespielt habe, weiß ich auch, was ich da an Maschinen auf den Straßen, Höfen und Feldern sehe. 

Es ist toll, irgendwie mitten im landwirtschaftlichen Rhythmus dabei zu sein. Ich sehe im Frühling, wie auf den Feldern gesät wird. Wir riechen die Gülle, die ausgebracht wird. Wir beobachten, wie die kleinen Pflänzchen wachsen und zu Getreide, Mais oder Kartoffelpflanzen werden. Die Bauern mähen die ersten Wiesen und Heuschwaden liegen herum.

Foto von zwei Traktoren auf einem Acker
Der rote Traktor fährt Gülle aus und der John Deere dahinter scheint Stoppeln zu mulchen?

Ich sehe, wie das Getreide golden wird und sich so langsam wegen des vielen Regens grau verfärbt. Im Ernst, die meisten Getreidefelder wurden im Juni oder so schon geerntet, was ist mit dem noch stehenden Getreide? Muss das nicht runter?! Die Kartoffeln sind auch so weit, ich erwarte täglich den großen Kartoffelernter. 

Im Frühjahr konnte man zusehen, wie der Mais immer größer wird. Bis Juni oder so war es kein Problem, über die Maisfelder zu schauen, bis in die Ferne, aber jetzt fühlt man sich auf der Straße wie zwischen grünen Wänden. Der Mais ist deutlich höher geworden als ich und man sieht nichts mehr :D Damit müssen wir auch noch ein paar Wochen leben.

Dieser landwirtschaftliche Rhythmus ist wirklich faszinierend. Schließlich beobachten wir hier buchstäblich unser Essen beim Wachsen 😀

Foto von einem Baum zwischen Feldern und Weiden. Auf dem Baum sitzen Krähen
Krähe genießt die Aussicht vom Baum aus ^^

In den letzten Jahren lebte ich im Odenwald, da gibt es diesen Rhythmus so nicht. Dort konnte man “nur” sehen, wie sich die Bäume im Herbst verfärben. Deswegen ist auch dieser landwirtschaftliche Aspekt etwas, was mich hier so reizt. Allerdings fehlt mir ein wenig mangels Tälern der Nebel in den Tälern ^^

Wo sich Eichhörnchen und Rehe gute Nacht sagen

Unser Haus steht irgendwo mitten auf dem Land, umgeben von einem Waldstück. 100 Meter weiter beginnt schon das Maisfeld. Bereits im März haben wir uns bei eher bescheidenen Wetter aufs Fahrrad geschwungen und sind 30 km zu einem bekannten Badestrand an der Elbe gefahren. Das Wetter war grau und kalt, aber hey, wir sind mit eigener Muskelkraft zu einem Strand gefahren!

Allgemein bin ich so glücklich, dass ein Fahrrad hier wieder Sinn für mich ergibt. Mal eben abends eine Tour durch die Felder zum Moor, während die Sonne die Landschaft in goldenes Licht taucht. Oder mit dem Fahrrad sonntags zu einem Café im Nachbarort. Ich wusste nicht, wie sehr mir sowas fehlt. 

Foto unseres Gartens mit zwei Fahrrädern vor dem Haus
Fahrradtour startet in … 3 … 2 … 1

Unser Grundstück liegt wie erwähnt ziemlich abgeschieden. Nicht aber für die Tiere, die es hier gibt. Wir wurden schon ziemlich schnell von Rehen begrüßt, die auf unserer Wiese nach Essbarem suchen. Begrüßt ist natürlich das falsche Wort: So glücklich sind die Rehe nicht, wenn sie drei Meter entfernt auf einmal Menschen begegnen. Die suchen dann schnell das Weite. 

In nur wenigen Metern Entfernung lassen sich auch Eichhörnchen in den Bäumen beobachten. Jetzt im Sommer sehen wir sehr viele Erdkröten (glaube ich) in allen Größen. Leider haben wir auch schon tote Kröten gefunden: Sie kriechen/hüpfen die Kellertreppe runter und kommen nicht mehr hoch oder verschwinden im Lichtschacht eines Kellerfensters. Natürlich haben wir auch sehr viele Vögel hier im Garten, die teilweise – ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage – im Frühjahr fast schon zu laut sind ^^

Foto unserer Gemüsebeete mit wachsenden Pflanzen
Unsere drei Gemüsebeete mit Netzen zum Schutz gegen Rehe

Aber damit nicht genug. Vielleicht streifen auch Wölfe durch den Wald oder die Siedlung. Nur ein paar Kilometer entfernt hat wohl ein Wolfsrudel ein Massaker unter Schafen angerichtet. Auch Wölfe gibt es im Süden bisher nicht. Bin ich begeistert? Eher ja ^^ Mir tut es leid um die Schafe und andere Tiere, die es erwischt. Aber dem Wolf gehört das Land genauso wie uns.

Allgemein weiß ich die Ruhe hier bei uns sehr zu schätzen. Kein Straßenlärm! Man kann auf der Veranda sitzen und einfach die Natur um einen herum genießen. Besonders schön ist es auch, bei offenem Fenster zu schlafen und den Wind in den Bäumen zu hören. 

Foto eines Buschs mit pinken Blüten
Einer unserer vielen schön blühenden Büsche

Unsere Vorgänger haben den Garten mit schönen Pflanzen bebaut, so dass vom Frühjahr bis heute ständig irgendwo was blüht. Ich versuche, das so alles zu pflegen und zu erhalten und habe gar kein Bedürfnis, grundlegend etwas zu ändern.

Wir haben aber drei eigene Gemüsebeete angelegt und versuchen uns als Gemüsegärtner. Dabei musste ich auch feststellen, dass Rehe gerne Blüten knabbern -.- Unsere Kartoffelernte hat mich jedenfalls richtig umgehauen, während die Zwiebeln eher klein ausgefallen sind. Tomaten sind dieses Jahr wortwörtlich ins Wasser gefallen, leider. 

YouTube

Dieses Video ist aufgrund deiner Datenschutzeinstellungen gesperrt. Mit dem Laden des Videos akzeptierst du die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Ich liebe auch die verschiedenen Holzschuppen bei uns auf dem Grundstück. Das ganze erinnert mich ebenfalls an den kleinen Bauernhof meiner Großeltern. Ich finde es faszinierend, dass wir nicht nur ein Haus und ein Carport haben, sondern auf dem Grundstück mehrere weitere kleine Gebäude :D

Mein Traum wäre, einen der Schuppen mittelfristig in einen Hühnerstall umzubauen.

Und auch den Carport weiß ich sehr zu schätzen. Meine Autos standen bisher immer im Regen bzw in der Sonne. Es ist schon irgendwie ein Luxus, im Sommer in ein kühles Auto einsteigen zu können. Oder bei Regen das Auto beim Ausräumen der Einkäufe offen zu lassen, ohne dass alles nass wird.

Kartoffelpflanze halb aus dem Boden gezogen mit Kartoffelknollen an den Wurzeln
Die Kartoffeln sind fertig und können aus dem Boden gesammelt werden – ein Highlight :D
Foto unserer eigenen Kartoffeln und Zwiebeln in einer Tasche bzw. einem kleinen Korb
Die Kartoffel- und Zwiebel-Ausbeute

Ein Haus wie aus meinen Träumen

Okay, in meinen Träumen schwebte mir eher ein kleines, mediterranes Steinhäuschen in Italien vor. Aber ein Holzhaus wie unseres rangierte nicht weit dahinter. Es kommt schon sehr nah an mein persönliches Ideal heran und ich mag einfach alles am Haus:

  • Den hellen Wintergarten, der uns als Wohnzimmer dient. Wenn die Terrassentür offen ist, fühle ich mich irgendwie wie in einem Berberzelt in der marokkanischen Wüste: Die sind auch mit Teppichen ausgelegt und man sitzt quasi halb-draußen :D
  • Unseren Kaminofen. Wir nutzen ihn nicht viel, haben aber die Möglichkeit, ein gemütliches Feuer anzumachen. Das ist so gemütlich!
  • Das viele verbaute Holz, zB. hölzerne Fensterrahmen im Erdgeschoss, Holzverkleidungen im Flur, die knarrende, schmale und steile Treppe ins Obergeschoss, den knarrenden Boden unter dem Teppich im Wintergarten, und natürlich, klar, die Außenverkleidung des Hauses selbst.
  • Ich liebe sogar die Bodenfliesen im Erdgeschoss. Sie erinnern an Schiefer und Terrakotta und geben dem Haus tatsächlich ein italienisches Flair :D
Foto von Lucyda vor einem Holzstapel
Ein lokaler Landwirt hat uns Holz vorbeigebracht :D Da kann der Winter kommen

Mit dem Haus kommt natürlich auch viel Verantwortung. Wir müssen selbst zusehen, dass es nicht auseinanderbricht. Wie das alles geht, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Wir haben schon kleinere Reparaturen durchgeführt und hier und da etwas verbessert. 

Für den Anschluss der Waschmaschine mussten wir den alten, völlig verrosteten Wasserhahn im Keller austauschen (der ließ sich nur mit einem Lötbrenner lösen). Als es von April bis Juni kaum regnete, stellten wir fest: Die 210 Liter-Regentonne reicht nicht aus fürs Garten gießen. Wir kauften zwei 520 Liter-Tonnen dazu und verbanden sie mit Schläuchen. So ein Engagement wäre in einer unserer alten Wohnungen nicht denkbar gewesen ^^

Foto von Pierre an einer Schubkarre mit Holzscheiten, rechts unser Wintergarten
Pierre beim Holztragen im Garten. Vorne unsere neue Regentonnen-Konfiguration

Und wir hatten schon Pech mit dem Wassereinbruch im Badezimmer und einer Störung der Gasheizung. Wo wir früher zum Vermieter gerannt wären, müssen wir nun selbst tätig werden. Das kann sehr anstrengend sein, aber ich glaube, dass uns die Verantwortung auch gut tut 😀

Da wir lange hierbleiben wollen, natürlich, haben wir auch schon eine recht teure Energieberatung durchführen lassen. Dabei wurde unser Haus von oben bis unten angeschaut und wir erhielten einen Fahrplan für sinnvolle energetische Sanierungen in der Zukunft. Dazu gehören neue Fenster, aber auch eine Wärmepumpe und eine PV-Anlage aufs Dach. Auch darauf freue ich mich: Immerhin stecken wir das Geld in unsere Zukunft :D

Alles in allem kann ich manchmal noch immer nicht glauben, dass wir wirklich hier sind. Ich sehe mich noch sehr gut auf dem Seeparkplatz vor der ersten Hausbesichtigung, voller Neugierde und Hoffnung. Und jetzt sind wir hier – und haben selbst ein STD-Kennzeichen, über das ich im Oktober noch grinste :D

Foto unseres Katers auf der Veranda
Kater Lopi ist auch ziemlich zufrieden mit unserem Haus

Aber nicht alles ist schön

Ein Problem war und ist das Internet hier in der Siedlung. Hier hab ich schon darüber geschrieben, deswegen nur noch knapp das Elend in Kurzform:

Als wir das Haus erstmals besichtigten, hieß es – auch auf der Website des lokalen Internet-Platzhirsches EWE -, dass hier Glasfaser ausgebaut wird und bald verfügbar sei. Als Zeitraum waberte das erste Quartal 2023 herum. Ich glaube, ich hatte das bei EWE erfragt. Die Leerrohre lagen schon unter der Straße.

In meiner unendlichen Naivität dachte ich, dass wir also nur kurz den Zeitraum zwischen Einzug und Glasfaser irgendwie überbrücken müssten. Normales Internet, also Festnetz, oder wenigstens mobiles LTE-Internet, gibt es hier nur sehr infinitesimal. DSL reicht noch für Netflix, aber irgendwas hochladen kann man vergessen.

Also, wir zogen ein und brachten eine Starlink-Satellitenschüssel mit, also Internet via Satellit. In der Hoffnung, dass wir es bald nicht mehr brauchen, weil Glasfaser ja schon in den Startlöchern steht.

Aber dem ist nicht so. Viele, viele Anrufe später und bei EWE weiß noch immer niemand, wie und wann es weitergeht. Beauftragt ist Glasfaser schon lange, und man kann es online auch bestellen – auf der Website gibt es keinen Hinweis, dass es noch gar nicht geht – aber die eigentliche Glasfaser ist noch nicht da. Und so müssen wir irgendwie mit Starlink klarkommen.

Foto eines grün bewachsenen Weges mitten in einen Wald
Ein Weg ins Nichts? Nahe des Hohen Moores

Auch Arzttermine sind hier in der Gegend offenbar schwer zu bekommen. Ich habe schon viele Anrufe getätigt, um einen Zahnarzt- und Frauenarzttermin zu bekommen, und die liegen dann teilweise ein halbes Jahr in der Zukunft. Viele Ärzte hier nehmen keine neuen Patienten mehr an bzw. führen Wartelisten. Das war im Raum Heidelberg immer deutlich einfacher. 

Konkret auf unserem Grundstück leiden wir auch an Zecken. Durch die Waldnähe gibt es hier wirklich sehr viele davon. Nach der Gartenarbeit sollte man sich immer untersuchen. An einem Tag musste ich bei mir vier Zecken ziehen. Das ist wirklich nicht so erfreulich.

Und eine Kleinigkeit: Bei uns auf dem Grundstück ist durch die hohen Bäume die Sonne schon recht früh weg. Da wirkt es oft, als wären auf einmal Wolken aufgezogen.Dennoch: Die Vorteile hier überwiegen die Nachteile deutlich. Der Kauf des Hauses und der Einzug hat die Lebensqualität deutlich aufgewertet. Für mich ist unheimlich wichtig, jetzt nicht mehr nur zu warten, auf irgendein Ereignis in der Zukunft. Nein, wir sind jetzt angekommen und können uns endlich einrichten. Alle meine vergangenen Mietwohnungen waren eher “Zwischenstationen”. Und dieses Warten hat jetzt ein Ende :D

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert