Details zum Buch
Erstauflage: 2005
Seitenanzahl: 563
Stichwörter: Spanien, Franco, Bücher
Review online seit 19.04.2009
Ein Buch, das von Büchern handelt! Es geht um eine lange Suche, um Parallelen in Lebensgeschichten und vor allem um die Liebe zu Büchern. Ort der Handlung ist Barcelona nach dem 2. Weltkrieg.
Inhalt. Barcelona im Jahr 1945: der 10jährige Daniel, Sohn eines Buchladeninhabers und selbst eine gediegene Leseratte, gelangt an das Buch „Der Schatten des Windes“. Innerhalb weniger Stunden liest er es durch und stellt fortan fest, dass das Buch ihn nicht mehr loslässt. Er fühlt sich von einer Person beschattet, die direkt wie aus diesem Buch entsprungen auftritt, tatsächlich aber von Daniel dieses Buch erbittet, um es zu verbrennen. Es stellt sich heraus, dass es sich um die letzte Ausgabe dieses Buchs handelt und dass eine unbekannte Person es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, alle Bücher dieses Autors zu verbrennen.
Im Laufe der Jahre erfährt Daniel immer mehr Einzelheiten aus dem Leben des Buchautors, von dem niemand weiß, wo und ob er überhaupt noch lebt. Daniel stellt außerdem fest, dass sein eigenes Leben erstaunliche Parallelen mit dem des Autors aufweist.
Mit Hilfe einiger Freunde versucht er als junger Erwachsener hinter das Geheimnis des Autors zu kommen und deckt dabei eine tragische Geschichte auf.
Kritik. Restlose Begeisterung :D Erst dachte ich noch, es handelt sich um einen Roman der Sorte „Romanfiguren erwachen zum Leben und verfolgen den Protagonisten“, aber das ist es nicht. Dieses Buch kann man nur als intelligent durchdacht bezeichnen. Es ist kein Krimi, aber wie bei einem Krimi setzen sich hier immer mehr kleine Teile zu einem Ganzen zusammen. Daniel versucht, hinter die Geschichte des Autors zu kommen und bekommt die Informationen aus verschiedenen Quellen. In diesem Buch hat man sehr oft ein Déja-vu-Gefühl, nicht nur wegen der ähnlich verlaufenden Lebensläufe von Daniel und dem Buchautoren, sondern auch weil Daniel hier eine kleine Info am Rande aufschnappt und später eben diese Info, ausgekleidet mit einer richtigen Story, von jemand anderem nochmals präsentiert wird. Und das andauernd.
Außerdem tauchen immer mehr Personen auf, mit denen bereits der gesuchte Autor zu tun hatte und sich hier nun überraschend in die Geschichte einmischen.
Größtenteils erlebt man die Geschichte aus Daniels Sicht, hin und wieder jedoch werden die Geschichten anderer Figuren zusammengefasst aus deren Sicht erzählt.
Klingt sehr kompliziert, ist es aber nicht. Ich habe selten ein so tiefgehendes Buch gesehen, das einen so sehr fesselt und trotzdem alles strukturiert an den Mann bringt. Und dabei ist die Story auch noch sehr gefühlvoll geschrieben: da Daniel ein eigenes Leben hat, geht es mitnichten nur darum, in der Vergangenheit eines Unbekannten herumzuwühlen. Die Story hat mich einmal sogar bis in den Traum verfolgt ^^ Last but not least ist der Schreibstil dieses Buchs, passend zum Inhalt selbst, einfach nur intelligent. Schön, humorvoll und sehr stimmig.
Leider ist das Ende – nur das Ende und auch nur leicht – ein wenig überstürzt oder ein bisschen zu sehr auf Trändendrüse drücken geschrieben.
Wertung.
Hervorragendes Buch, das Ende zieht die Wertung wieder ein wenig runter. Trotzdem vier Sterne mit einem +
Der Schatten des Windes – Zitate
Der 16jährige Daniel wird von seinem Freund zum Thema Frauen befragt.
«“[…] Wie gefallen denn Ihnen die Frauen, Daniel?“
„Ich verstehe nicht viel von Frauen, ehrlich gesagt.“
„Wirklich verstehen tut keiner was, nicht einmal Freud, nicht einmal sie selber, aber das ist wie bei der Elektrizität, man braucht nicht zu wissen wie sie funktioniert, um eine gewischt zu kriegen. Na los, erzählen Sie schon. Wie gefallen sie Ihnen denn? Es sei mir verziehen, aber für mich muss eine Frau die Figur eines Vollblutweibes haben, damit man etwas zwischen die Finger kriegt, aber Sie sehen aus, als gefielen Ihnen die Mageren, und das ist ein Gesichtspunkt, den ich durchaus respektiere, nicht wahr, verstehen Sie mich nicht falsch.“
„Wenn ich aufrichtig sein soll, habe ich nicht viel Erfahrung mit Frauen. Eigentlich gar keine.“
Fermín Romero de Torres schaute mich aufmerksam an, neugierig geworden angesichts dieser Offenbarung von Askese.“»
Ein Unbekannter holt Daniel eines Abends im Dunkeln auf der Straße ein und möchte ihm das Buch „Der Schatten des Windes“ abkaufen. Daniel fragt ihn, was er damit will.
„Was machen Sie denn damit, wenn Sie es nicht lesen?“
Der Fremde gab einen dumpfen Laut von sich, als ränge er mit dem Tod. Erst nach einigen Sekunden ging mir auf, dass er lachte.
„Das einzige, was man damit machen kann, Daniel“, antwortete er.
Er zog eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche und zündete eins an. Die Flamme beleuchtete sein Gesicht, so dass ich es zum ersten Mal sah. Das Herz stand mir still. Dieser Mensch hatte weder Nase noch Lippen, noch Augenlider. Sein Gesicht war nichts anderes als eine schwarze, vernarbte, vom Feuer verzehrte Ledermaske. Das war die tote Haut, die Clara leicht berührt hatte.
„Sie verbrennen“, zischte er, Stimme und Blick voller Hass.
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