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25. Juli 1878 – Vom Teufel besessen, vergewaltigt und aufgehängt

Historische Zeitungen

In der Zeitung mit dem poetischen Namen „Neue Wogen der Zeit“ fand ich heute gleich zwei Nachrichten, die ich unbedingt bringen wollte.

Vom Teufel besessen…

Die erste hat mich sprachlos gemacht. Falls es so stimmt, wie dort geschrieben, denn Quellen werden nicht angegeben. Eine Dreizehnjährige wurde erst durch Verleumdung quasi von Geistlichen entführt, dann missbraucht und dann zur Vertuschung aufgehängt, weil sie angeblich vom Teufel besessen war. …. Aber lest selbst:

(U n g l a u b l i c h e s a u s R u s s l a n d.) Vor einigen Tagen ereigneten sich, wie aus Kiew berichtet wird, ein schaudervoller Vorfall. Ein Universitätsprofessor ging in Gesellschaft einiger Studenten in dem Garten spazieren, welcher zu dem dortigen Kloster Lawra Bijowska gehört. Derselbe bemerkte an einem Baumaste ein junges Mädchen hängen, dessen Gesicht bereits ganz blau war, dessen Körper aber durch Zuckungen Lebenszeichen gab.

Die Studenten, welche den Professor begleiteten, stürzten auf den Baum zu, um die Unglückliche abzuschneiden und, wenn möglich, vom Tode retten. Allein als dieselben sich an die Rettungsarbeit machten, sprang plötzlich aus dem Gebüsch eine Schar Mönche (Czernoi) heraus, welche sich mit geballten Fäusten und Stöcken auf die Lebensretter des Mädchens mit dem Ausrufe warfen: „Wir werden nicht gestatten, dass weltliche Leute ein von der Geistlichkeit zum Tode verurteiltes, besessenes Mädchen ins Leben rufen.“

Es entstand zwischen Studenten und Mönchen eine Schlägerei, die letzteren zogen den Kürzeren, und so wurde das arme Opfer gerettet. Hierauf führte man das Mädchen ins Spital, und es gelang dem ärztlichen Beistande, dasselbe zum Leben zu bringen.

Die eingeleitete Untersuchung ergab folgenden Tatbestand: Ein Mönch der Lawra Bijowska, der Pope Wassilij [****]gasta, hatte sein Auge auf die schöne, kaum 13jährige Tochter des Kiewer Bürgers Giorgij Dimitrowicz [**]mosznenko geworfen. Um das Kind desto leichter in seine Fallstricke zu locken, tat er feierlich in der Kirche den Ausspruch, dass das Mädchen Maria Dimitrowna [**]mosznenko vom Teufel besessen sei, und dass der Teufel aus dem Mädchen in ihre ganze Familie hineinfahren werde.

Die abergläubischen Eltern des Mädchens schenkten dem Befunde des Popen vollsten Glauben, und es gab für sie nichts Natürlicheres, als die Tochter zu den Popen zu schicken, damit diese aus ihr den Teufel herausbrächten. [***] verübten die Mönche unsittliche Attentate an dem Mädchen . . . und damit das Verbrechen nicht entdeckt werde, beschlossen sie, die Unglückliche aus dem Wege zu schaffen, indem sie über dieselbe folgendes Urteil sprachen: Der Teufel kann aus ihr nicht herausgebracht werden, -sie muss sterben; deshalb spricht die Geistlichkeit im Namen des heiligen Nicolaus das Todesurteil über sie aus.

Darauf schleppten die Popen das arme Opfer in den Klostergarten und hängten dasselbe an einem Baumaste auf.

Neue Wogen der Zeit (Danzig) am 25. Juli 1878, S. 6f, Quelle

Leider konnte ich nicht herausfinden, was aus dem Fall geworden ist. Ob die Täter wenigstens angeklagt wurden, und was aus dem Mädchen später wurde.

Ich möchte mir kaum vorstellen, wie sie sich gefühlt hat. Wie ist das, wenn irgendwelche irren Priester behaupten, man wäre vom Teufel besessen? Wenn die eigenen Eltern das glauben und einen dann in die Obhut dieser Priester geben? Wie viel Angst muss man dann haben? Und wie verwirrt ist man darüber, „vom Teufel besessen zu sein“? Wie ist es dann, von diesen Typen vergewaltigt zu werden? Und dann ultimativ, wie ist es dann, geschändet, verraten, einsam, ängstlich, zum Tode verurteilt zu werden, ohne sich irgendwie verteidigen zu können und womöglich nicht mal zu wissen, was genau man denn falsch gemacht hat?

Es wurde einfach über ihren Geist („vom Teufel besessen“), über ihren Körper (Missbrauch) und ihr Leben (Todesurteil) bestimmt. Als wäre sie ein Objekt, das keine Rechte, keine Interessen, keine Stimme hätte. Der Artikel hat mich wirklich schockiert.

Leider keine Rettungsschwimmer für Frauen

Der zweite Beitrag berichtet über zwei Frauen, die im Ostseebad der Westerplatte bei Danzig ertrunken sind. So weit, so schlecht – weiter unten kommt die Information, wegen der ich diesen Artikel heute mit aufnehme. Während im Herrenbad (also am für Männer zugelassenen Strandabschnitt) Rettungsschwimmer aufpassten, dass niemand ertrank, gab es die im Damenbad nicht. Und zwar nicht nur leider nicht, sondern „selbstverständlich nicht“. Sie werden sogar eher „stets fehlen“, man nahm also auch nicht an, dass es irgendwann Rettungsschwimmer für die Damen gebe.

Das find ich aus zwei Gründen interessant: Einerseits erkannte man zwar, dass die Gefahr des Ertrinkens besteht, aber bevor „starke, geschickte“ Männer badende Frauen retten, sollen die lieber ertrinken. Ich weiß nicht, ob es nicht schicklich gewesen wäre, wenn ein Mann eine Frau aus dem Wasser zieht, oder ob vielleicht das Badekleid zu schwer war, so dass die Damen sowieso nicht zu retten wären?

Und andererseits liest man dort heraus, dass es auch nicht infrage kam, weibliche Rettungschwimmer auszubilden und einzusetzen. Das kam wohl einfach nicht in den Sinn.

Wer mehr über die frühere Badekultur erfahren möchte, kann hier reinschauen – ich wusste auch nicht viel darüber :D

Ein trauriger Unglücksfall ereignete sich Montag um ½7 Uhr abends im Damenbade auf der Westerplatte. Das prachtvolle Sommerwetter, sozusagen der zweite schöne Tag im Juli hatte unendliche Scharen Badelustiger hinausgelockt; die Zahl der Badenden war eine überaus große; das Wasser kristallhell, auch tief genug ganz in der Nähe des Strandes und den durch Taue begrenzten Quarrés.

Aber Unglück schläft nicht; zwei Damen, Mutter und Tochter, Frau L. von Langgarten, welche über die Vorsicht gebietenden Taue hinausschritten, bezahlten ihre Unvorsichtigkeit mit dem Leben. Alle angewendeten Rettungs- und Wiederbelebungsversuche erwiesen sich als wirkungslos. Das Rettungsboot wurde so rasch wie tunlich zur Stelle befördert, der Rettungsgürtel in Anwendung gebracht, aber alles war vergeblich. Nur die eine Dame wurde bald als Leiche ans Land gebracht, während die andere erst nach einer Stunde aufgefunden wurde.

Es kann den nicht des Schwimmens kundigen Damen nicht dringend genug empfohlen werden, ihren Badesport auf die durch Taue begrenzten Räume zu beschränken. Ein Hineinwagen in tieferes Gewässer heißt ein frivoles Spiel mit dem Leben treiben. Zum Ertrinken genügen oft einige Minuten.

Und selbst das ausgiebigste Vorhandensein von Rettungsvorkehrungen garantiert noch nicht die wirkungsvolle und augenblickliche und auch glückliche Anwendung derselben; da selbstverständlich die starken Hände geschickter, sachverständiger Schwimmer im Damenbade stets fehlen werden, und die Vorkehrungen, welche nötig sind, um ertrinkenden Damen Rettung zu bringen, wohl immer mehr Zeit in Anspruch nehmen dürften, als dass diese noch rechtzeitig kommen könnte.

Anders im Herrenbade, wo sofort Hilfe für den Schwimmer, den die Kräfte verlassen, der aber noch mit Geistesgegenwart mit dem Elemente ringt, vorhanden ist.

Neue Wogen der Zeit (Danzig) am 25. Juli 1878, S. 4, Quelle

Anmerkungen, die ich selbst in den Text eingefügt habe, befinden sich innerhalb von eckigen Klammern: [meine Anmerkung]. Sternchen (*, Asteriske) zählen hier als Auslassungszeichen und bedeuten, dass ich Teile des des Textes nicht entziffern/erkennen konnte. Die Anzahl der Sternchen stehen möglichst für die Anzahl der ausgelassenen Zeichen.

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