Eine kleine Sozialstudie: Bewertungen im Internet

Vor so ca. sechs Wochen habe ich für Leser hier im Plejadium eine ganz einfache Möglichkeit zur Bewertung von Beiträgen eingebaut. Nach jedem Beitrag kann der Nutzer 1-5 Sterne vergeben, je nachdem, wie gut oder schlecht ihm der Beitrag gefallen hat.

Wie ich damals geschrieben hatte, wusste ich noch gar nicht genau, wozu das Ganze gut sein soll. Seitdem wurden ganze 284 Bewertungen abgegeben und die Bewertungen ermöglichen gar nicht so uninteressante Einblicke :D

Hier wollte ich euch wertungs- und beschwerdefrei (!) ein wenig daran teilhaben lassen, wie die Nutzer hier – und auch ganz allgemein so ticken, denn viele Beobachtungen sind auf andere Wertungssysteme wie YouTube oder Amazon zu übertragen.

Die allermeisten Nutzer bewerten sehr wohlwollend

Zuerst mal: Ich war völlig überrascht davon, wie gut es die allermeisten Nutzer meinen :D Die überwältigende Masse an Nutzern vergab mit 5 Sternen (= „Klasse Beitrag!“) die beste Note. Wow! Selbst dann, wenn ich selbst schon denke, dass der eine oder andere Beitrag nun wirklich mal einer Überarbeitung bedarf oder aus anderen Gründen streitbar sein könnte.

5 Sterne sind mit großem Abstand die häufigste Bewertung für meine Beiträge. Das hat mich tatsächlich überrascht, weil 5 Sterne eigentlich bedeutet, dass der Beitrag wirklich superklasse ist und es überhaupt nichts zu verbessern gibt.

Ich hatte erwartet, dass die meisten Bewertungen eher bei 4 Sternen liegen, was ja immer noch „gefällt mir sehr gut“ bedeutet. Auf jeden Fall bedanke ich mich ganz herzlich bei allen wohlwollenden fleißigen Bewertern :D

Bewertungen im Internet

Viele Nutzer bedeuten nicht unbedingt viele Bewertungen!

Eine andere Erkenntnis ist, dass nicht die Beiträge die meisten Bewertungen bekommen, die auch am meisten besucht werden. Meine fünf am häufigsten bewerteten Beiträge sind

Das sind alles solche Beiträge, die man aus Interesse ganz oder fast ganz durchliest, weil sie als gut lesbare Fließtexte geschrieben sind.

Der Beitrag dagegen, der mit großem Abstand die meisten Besucher bekommt – Verwendung von GPX- und KML-Dateien mit Google Maps – hat nur 7 Bewertungen bekommen und liegt bei 3,7 Sternen. In diesem Beitrag suchen die Nutzer nur schnell eine bestimmte Info und gehen dann wieder. Sie lesen sich den Beitrag gar nicht ganz durch und kommen daher auch nicht ganz nach unten zur Bewertung.

Nein, meine beliebtesten Beiträge sind die fünf oben gelisteten. Der Transport Fever-Beitrag kommt in einer Auflistung nach Nutzerzahlen in den letzten 28 Tagen erst an vierter Stelle. Die drei häufiger besuchten Beiträge darüber bekommen zwar alle mehr Besucher, aber die haben wenig Interesse daran, den Beitrag überhaupt richtig zu lesen.

Drei der fünf am besten bewerteten Beiträge sind emotional und/oder nachdenklich, zwei weitere sind recht unterhaltsam geschriebene Tipp-Beiträge für PC-Spiele. Also die Art von Beiträgen, die ich selbst auch am liebsten schreibe :D

Bewertungen bedeuten weniger Kommentare

Die Bewertungsfunktion ist unkompliziert und wird deswegen auch recht viel genutzt – sonst könnte ich ja hier auch gar nicht meine grandiosen Erkenntnisse herausposaunen :D

Das Ganze hat aber auch eine Kehrseite. Ich habe den Eindruck, dass die Leser nach dem Bewerten eher keine Lust mehr haben, auch noch einen Kommentar zu schreiben. Klar, ist ja auch aufwändiger. Da drückt man seine Zustimmung oder sein Dankeschön lieber in einem 5 Sterne-Rating aus und damit hat es sich. Voll und ganz verständlich :D

Mir fehlt dadurch aber leider der Kontakt zu euch Lesern. 5 Sterne sind toll – aber noch toller wäre es, zu erfahren, was ihr zum Beitrag denkt. Welche Erfahrungen ihr selbst gemacht habt, ob ihr zustimmt oder den Beitrag überhaupt interessant und relevant findet.

In der Vergangenheit ist es zwar auch schon vorgekommen, dass die Kommentarfunktion einfach mal nicht ging, aber in den letzten Wochen sollte es damit kein Problem gegeben haben. Also liegt es mit den weniger Kommentaren wirklich an der Bewertungsfunktion. Wo soll das nur hinführen!

Schlechte Bewertungen sind bisher zu 100% unkonstruktiv

Die 1 Stern-Bewertungen („Gefällt mir nicht“) lassen sich glücklicherweise tatsächlich ungefähr an einer oder zwei Händen abzählen. Für 2 Sterne oder weniger geht nach der Bewertung ein kleines Feld auf, in das sich ein Grund für die schlechte Bewertung eintragen lässt, also ein freiwilliges nicht-öffentliches Feedback-Feld für Verbesserungsvorschläge. Das ist für mich natürlich interessant, weil ich dann weiß, womit ich das Desaster verdient habe ^^

Bisher haben nur fünf Bewertende überhaupt Feedback gegeben. Die geringe Zahl überrascht nicht so sehr, denn es gibt ja gar nicht so viele schlechte Bewertungen. Aber diese fünf Feedback-Texte sind zu 100 % unbrauchbar und zeigen, wie extrem subjektiv und fast schon zerstörerisch solche Bewertungen sein können. So sieht das aus:

  1. Feedback „äh“ – zu einem uralten Beitrag aus dem Jahre 2013, in dem ich schrieb, dass ich mal wieder auf der Straße geblitzt wurde.. gut, zu diesem Zeitpunkt war ich weit davon entfernt, nützliche Beiträge zu schreiben, da war die Website mehr ein Tagebuch ^^ An sowas wie Bewertungen habe ich da nicht mal entfernt gedacht. Von mir aus eine verdient schlechte Bewertung.
  2. Zu meinem Beitrag über das Fermi-Paradoxon erhielt ich zur 1 Stern-Bewertung das Feedback, dass dem Leser der Beitrag gut gefällt und er mir zu 100 % zustimmt …?
  3. Zu einem WordPress-CSS-Tipp bekam ich das Feedback, dass bei ihm der Fix nicht funktioniert – dazu schreibe ich weiter unten noch was
  4. Das Feedback für die einzige negative Bewertung für meinen Transport Fever-Tipp-Beitrag aus dem Beliebt-Ranking oben: Der Nutzer schreibt, der Guide sei „schlicht und ergreifend absolut falsch“, weil ein Tipp im schweren Modus des Spiels nicht funktioniert. Allerdings hatte ich gleich am Anfang des Beitrags auf einen anderen Beitrag verlinkt, der sich ausschließlich mit dem schweren Modus befasst, und außerdem steht im Absatz nach dem bemängelten Tipp nochmal explizit, dass er nur im leichten und mittleren Modus zu empfehlen ist.
  5. Ebenfalls ein Feedback zur einzigen Bewertung eines meiner informativsten Texte überhaupt, über den Verlauf von historischen Straßen – mit Schemazeichnungen, Bildern und Angabe von verwendeter Literatur: „Nicht sehr informativ….“ – auch dazu unten noch mehr

In den Feedback-Texten für die schlechte Bewertung erfahre ich also:

  • nichts („äh“)
  • der Bewertende findet den Beitrag sehr gut
  • ein Tipp funktioniert bei einem Nutzer nicht, aber ich kenne seine Voraussetzungen nicht und kann also nichts mit dem Feedback anfangen
  • ein Nutzer hat den Beitrag nicht richtig gelesen, findet ihn aber schlecht
  • ein sehr informativer Text ist nicht informativ genug

Dann gibt es noch ein paar wenige schlechte Bewertungen, die ohne Feedback bleiben. Da ist es natürlich auch schade, nicht zu wissen, was dem Leser nicht gefällt.

Warum die unkonstruktive Kritik?

Auf Steam, in App Stores und bei WordPress-Plugins sehe ich immer wieder 1 Sterne-Bewertungen, verbunden mit dem Kommentar, dass das Spiel oder Plugin bei dem Bewertenden nicht läuft oder seine Ansprüche nicht erfüllt. Oder auf Amazon bewertet jemand schlecht, weil das Produkt zu spät geliefert wurde. Sowas finde ich in höchstem Maße unfair dem Anbieter gegenüber – Nutzerwertungen sind ein extrem wichtiges Kaufargument. (In meinem Fall trifft das nicht zu, ich biete die Funktion ja nur als Experiment an.)

Kann es ein, dass solche Bewertungen auf einen sehr Ich-bezogenen Menschen schließen lassen? Es scheint, als würden solche Leute die Welt nur so bewerten, ob sie ihm persönlich Nutzen bringt oder nicht. Sie bewerten offenbar Produkte/Apps/Beiträge/Videos/wasauchimmer relativ zum eigenen Kenntnisstand, zu persönlichen Erfahrungen, zu nur für sich formulierten Erwartungen im Sinne von „Dieses Produkt, diese App, dieser Beitrag hat mich zu befriedigen„.

Sie erwarten ein für sich maßgeschneidertes Produkt und bewerten es dahingehend, ob es diese Erwartung erfüllt. Dabei geht es ihnen gar nicht darum, brauchbares Feedback zu geben – sonst würden sie das ja tun und nicht nur negativ bewerten.

Klar, „Gefällt mir nicht“ ist per se eine subjektive und persönliche Meinung – aber eben auch eine sehr unkonstruktive. Was soll denn der Entwickler oder Anbieter damit anfangen, wenn jemand sagt, dass ihm sein Produkt nicht gefällt?

Auf YouTube bin ich auch gelegentlich aktiv. Dort bekomme ich natürlich auch Daumen runter-Bewertungen, und zwar deutlich mehr als negative Kommentare. Das heißt, ich habe meistens keine Ahnung, warum jemand ein Video negativ bewertet. Ist es der Informationsgehalt? Die Technik (Bild, Ton, Licht, Schnitt,…)? Meine Stimme, Sprache oder Aussehen? Das Thema des Videos ansich?

Solche negativen Bewertungen ohne Information dazu sind also grundsätzlich einfach sinnfrei.

Gedankenlos bewertet

Diese unkonstruktive Kritik sehen wir ja auch bei meinem CSS-Fix, der das Feedback bekam, dass er beim Bewertenden nicht funktionierte. Das ist schade, aber ich kenne seine individuellen Voraussetzungen ja nicht. Warum zieht diese Person den ganzen Beitrag mit ihrer Bewertung runter, nur weil es bei ihr nicht funktioniert? Warum keine Mail mit einer Nachfrage? Wieso fließt ausschließlich in die Meinung ein, ob der Tipp bei ihr persönlich funktioniert, nicht aber, dass es sich um eine kostenlos zur Verfügung gestellte Idee handelt, die sich jemand ausgedacht, getestet, erläutert und bebildert hat?

Genauso ist es bei der Bewertung des Straßenbeitrags oben. „Nicht sehr informativ“ – für wen denn? Für die meisten wahrscheinlich schon, denn es geht hier weder um Schulwissen noch um Allgemeinbildung. Vielleicht nicht für jemanden, der sich selbst mit dem Thema gut auskennt. Aber was genau erwartet diese Person dann? Speziell auf seinen Kenntnisstand zugeschnittene Informationen? So eine Erwartungshaltung ist doch von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Unkonstruktive negative Bewertungen kommen vermutlich meistens gedankenlos zustande, nicht absichtlich bösartig. Diese Person dachte sich: Hilft mir nicht, bringt mir nichts, ist also Schrott. Zack, bewertet. Sie dachte vermutlich nicht daran, dass die Bewertung auch irgendwo ankommt. Und dass sie da nicht als hilfreich aufgefasst wird. Sondern eher demotivierend, möglicherweise verletzend oder sogar zerstörerisch.

Sie überlegen sich vielleicht gar nicht, was ein „Nichtgefallen“ ohne hilfreiche Kritik für eine 15jährige Schülerin bedeutet, die auf YouTube einen Physikchannel betreibt. Oder für einen rumänischen Programmierer, der für WordPress ein Plugin entwickelt und es aus gutem Willen allen anderen Nutzern zur Verfügung stellt. Oder eben ein Website-Betreiber, der kostenlos Tipp-Beiträge schreibt.

Demotivierende oder zerstörerische Wirkung

Im besten Fall ist es dem Empfänger egal, solche Bewertungen zu erhalten. Das trifft auf mich zu, denn ich kann mit solchen Bewertungen umgehen, weil ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist, dass ich es nicht persönlich auffassen muss und dass solche Bewertungen die absolute Ausnahme sind.

Für andere können solche Bewertungen aber tief verletzend sein. Und sich letztlich zerstörerisch sowohl auf dessen Selbstbewusstsein als auch auf die Entfaltungsmöglichkeiten im freien Internet auswirken. Der Mensch ist schließlich so gestrickt, dass er sich mehr auf negative Erfahrungen fokussiert, während er gute Erfahrungen eher vernachlässigt.

Wer für das, was er tut, unfair (da unkonstruktiv) kritisiert wird, der könnte sich verkriechen und seine Leistungen für sich behalten, im Sinne von „Gut, dann eben nicht, ich kriege ja sowieso nur auf den Deckel“.

Viele Menschen, die heutzutage Plattformen wie YouTube oder auch Blogs nutzen, um aus sich herauszugehen und etwas zu wagen, bekommen hier völlig gedankenlos platzierte Dämpfer. Ich hoffe zumindest, dass sie gedankenlos sind, denn ansonsten würde der Bewertende ja billigend in Kauf nehmen, dass der Empfänger verletzt wird – beides wirft allerdings kein positives Licht auf diese Person.

Was schließe ich nun aus meinem Bewertungsexperiment?

Zum Einen bin ich sehr dankbar, so viele positive Rückmeldungen bekommen zu haben :D Das hat mich wirklich gefreut und es war auch sehr interessant zu sehen, welche Beiträge gern gelesen werden.

Auf der anderen Seite gab es auch ein paar nichtssagende negative Bewertungen, teilweise mit Feedback, die einfach niemandem weiterhelfen. Nicht dem Bewertenden, der hat ja nichts davon, auf einen Stern zu klicken. Nicht für mich, weil ich nicht genau weiß, was ihm missfällt. Und auch nicht für die anderen Nutzer, weil die natürlich ihre eigenen subjektiven Auffassungen von einem Beitrag haben.

Für die schlechten Bewertungen gebe ich nicht mal unbedingt den Bewertenden die Schuld. Sie nutzen schließlich einen Service, den ich ihnen bereit stelle. Da brauche ich mich nicht wundern, wenn er genutzt wird – aber ich kann mir Gedanken machen, ob die Art und Weise der Bewertung sinnvoll ist.

Wenn man es richtig machen wollte, müsste man eine schlechte Bewertung zwingend an ein Feedback binden und die Menschen anregen, das auch ernsthaft zu nutzen. Eine Garantie, daraus wirklich brauchbare Erkenntnisse zu bekommen und etwas besser machen zu können, gibt es aber natürlich nicht.

Deswegen denke ich, dass die Dislike-Möglichkeit – ob nun ein Stern oder ein Daumen runter wie auf YouTube – allgemein sinnfrei ist. Sie bringt einfach niemandem etwas, sondern zieht nur runter. Konstruktive Kritik ist immer gern gesehen, aber auf meinen Seiten soll es keinen Raum dafür geben, anderer Leute Arbeit ohne Erklärung einfach als „bäh, blöd“ zu bewerten.

Daher werde ich demnächst die Bewertungen entweder wieder abschalten oder ein anderes System einführen – muss mal schauen :D

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass mich die vielen positiven Bewertungen zwar sehr gefreut haben, aber lieber sind mir die echten Kommentare – auch wenn das dann weniger sein werden als schnelle Bewertungen.

So, und jetzt bist du dran! :D Wie wäre es mit einer Bewertung? Oder besser noch mit einem Kommentar zum Beitrag? :D Ich freue mich!

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