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In Andenken an Toddi: Auch online-Abschiede tun weh

Ich wünschte, ich könnte heute an was anderes denken. Jemand, den ich eigentlich gar nicht kannte, ist gestorben und ich bin so traurig. Es geht mir nicht in den Kopf, dass wir uns nie wieder lesen werden. Toddis Tod am 8. April geht mir sehr nahe, und ich möchte darüber schreiben, um sein Andenken irgendwie festzuhalten.

Immer da, immer toll

Online-Communitys haben die Eigenschaft, dass man sich in der Regel nicht im echten Leben kennt. Man steht diesen Leuten nie gegenüber, weiß oft auch gar nicht, wie sie aussehen oder heißen oder klingen. Und doch steht man diesen Leuten oft genauso nah wie engen Bekannten im echten Leben: Wir haben gemeinsame Hobbys und verbringen daher viel Zeit miteinander. Und dabei lernt man einen Menschen doch irgendwie kennen.

Im Dezember 2019 hab ich angefangen, auf YouTube Let’s-Play-Videos zu dem Spiel Transport Fever 2 hochzuladen. Weil das Spiel damals gerade rausgekommen war und viele Fans hatte, bekam ich schnell einige Zuschauer, die sich das angeschaut haben, was ich täglich online stellte. Auch Toddi hat mich so gefunden. Seinen ersten Kommentar, also seine erste Kontaktaufnahme zu mir, finde ich auf YouTube vor ziemlich genau vier Jahren, Ende März 2020. 

Screenshot von Toddis erstem Kommentar auf YouTube - der Inhalt ist nicht relevant, aber das Datum zeigt "vor vier Jahren" - es war der 20. März 2020
Laut YouTube Toddis erster Kommentar

Seitdem war Toddi eine Art ständiger Begleiter bei allem, was ich auf YouTube und später Twitch gemacht habe. Toddi war auch dabei, als ich im September 2020 mit meinen ersten bescheidenen Stream-Versuchen auf YouTube begann. Im Mai 2021 zog er mit um auf Twitch und war der erste, der meinen Kanal abonnierte. In einem Jubiläumsvideo hab ich das als Meilenstein sogar festgehalten:

YouTube

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Kurze Zeit später bot er mir an, auch Stream-Moderator zu werden. Dabei unterstützte er mich beim Stream: kümmerte sich um Trolle und beleidigende Kommentare, führte aber auch Wetten und Umfragen durch, aktivierte Belohnungen oder änderte auch mal die Stream-Beschreibung, wenn ich es vergessen habe. Er hat meine Streams extrem mitgeprägt und Gags weitergetragen. Auch auf Discord wurde Toddi zum geschätzten Moderator. Das Ausmaß seiner Unterstützung ist einfach kaum zu beschreiben. Er war von Anfang an dabei und immer da, war mir immer Backup und hat sich so in mein Leben geschlichen, dass ich es mir kaum ohne ihn vorstellen kann.

Und auch für andere Stream-Zuschauer war Toddi eine Konstante. Er begrüßte immer alle nett, kommentierte witzig oder hilfreich, schoss aber niemals übers Ziel hinaus. Und er hat unheimlich viele Subs verschenkt. Dieses Video erscheint im Stream beim Verschenken von Abos, Toddi mochte es und nannte es „mal etwas Lärm machen“:

Toddi war einfach immer da. Hat sich fast jeden Stream angeschaut – im Schnitt fünf oder sechs pro Woche. Jedenfalls bis 21:30 Uhr, da hat er sich dann meistens verabschiedet, weil er als Frühschichtler am nächsten Morgen früh rausmusste.

Dafür war Toddi auf Discord meist auch der Erste, der morgens zwischen vier und sechs Uhr alle anderen mit einem “Moin zusammen” grüßte. Hier einer der vielen „frühen“ Abschiede – warum Toddi diesen clippte, weiß ich nicht, aber er bekommt jetzt eine ganz neue, traurige Bedeutung.

Womit ich einen solchen Unterstützer verdient habe, kann ich mir nicht ausmalen. Davon gibt es nur ganz, ganz wenige.

Fern und doch nah

Und jetzt fehlt er. Obwohl ich niemals mit ihm gesprochen oder ihn gesehen oder mit ihm gespielt habe, standen wir uns nah. So gut wie nichts Privates haben wir geteilt, ich wusste von ihm nur das, was er manchmal in Kommentaren von sich preisgab. Er war Mitte 50, verheiratet und hatte wohl drei erwachsene Kinder. Er liebte seine Playstation und fuhr eine Goldwing. Er war mal mit dem Motorrad in Marokko. Durch ihn erfuhr ich, was Grünkohl ist und dass “moin moin” schon als unnötige Plapperei gilt. “Moin” reicht!

Immerhin weiß ich Toddis Namen und ich weiß, wo er wohnte, ich habe ihm hin und wieder Kleinigkeiten geschickt, als Dankeschön für seine Unterstützung. Mehr Kontakt wollte er glaube ich auch gar nicht, und das war okay. 

Obwohl ich kein Bild von ihm als “RL-Mensch” vor Augen hatte, hatte ich doch mein eigenes Bild von ihm. Ich hatte ihn über die vier Jahre genug “anders” kennengelernt, wusste, welche Witze er mag, wusste, wir hatten viel zusammen “erlebt”, hatten Insider, die nur die engsten Zuschauer verstehen. Niemand hat so viele witzige und haarsträubende Situationen im Stream geclippt wie Toddi. So vieles hat er festgehalten. Er war einer der wenigen, die sich an bestimmte Szenen vor zwei oder drei Jahren im Stream erinnern konnte – und gleich darauf den zugehörigen Clip präsentierte.

Ein paar typische Stream-Kommentare von Toddi
Ein paar von Toddis Kommentaren aus unserem letzten gemeinsamen Stream am 29. März

Ich wusste, auf welche Themen Toddi anspringt. Oft genug begann ich einen Stream mit einer Geschichte, die ich mir für Toddi zurechtgelegt hatte und freute mich dann, wenn er darauf einging. Das ergibt sich so, auch mit ein paar wenigen anderen Leuten, wenn man sich seit Jahren kennt und viel miteinander zu tun hat. 

Toddis Fehlen fällt auf: Die unsichtbare Mauer zwischen online-Leben und realem Leben

Meldete Toddi sich im Stream, war ich erleichtert und freute mich. Jedes Mal. Wenn er fehlte, was nicht oft vorkam, fiel mir das auf. Solche Menschen zu kennen, die allein durch ihre Anwesenheit schon die Stimmung heben, gibt es nicht oft. Ich bin unfassbar dankbar, ihn gekannt zu haben.

Screenshot von Toddi, wie er allen um 7:36 am 5.04.2024 auf Discord einen guten Morgen wünscht: Moin zusammen
Toddis letztes „Moin“ auf Discord – für immer

Als Toddi zu meinem Stream am 7. April nicht erschien, war ich enttäuscht, machte mir aber keine großen Gedanken. Es war ein von Freitag auf Sonntag verschobener Stream und nicht jeder hat kurzfristig Zeit und Lust auf einen Stream. Als ich nach dem Stream sah, dass er sich zuletzt am 5. April morgens auf Discord gemeldet hatte, begann ich mir Sorgen zu machen. Ich wusste, dass er nach Ostern Urlaub hatte, aber der Urlaub hätte schon zu Ende sein müssen. Ich hoffte, dass er vielleicht wegen einer Kleinigkeit im Krankenhaus ist. Wobei er sich dann sicher trotzdem gemeldet hätte.

Als er sich auch in den folgenden Tagen nicht mehr blicken ließ, schrieb ich ihn am 10. April auf Discord an. Klar, was hilft das, wenn er nicht auf Discord ist? Ich wollte wohl einfach, dass er später merkt, dass sein Fehlen auffällt. Seine Handy-Nummer hatte ich nicht, wir waren ja nicht “befreundet” im eigentlichen Sinne. 

Es ist einfach eine komische Sache: Ich bin Streamerin, er Zuschauer und Moderator. Im Spaß nannte er mich “Chefin”. Wir waren ein super Gespann und wussten wohl, was wir aneinander haben, aber an eine Telefonnummer habe ich nie gedacht, weil ich fand, dass sie mir nicht zustand. Und ich weiß auch nicht, ob das überhaupt in seinem Sinne gewesen wäre. Vielleicht war die private Distanz das passende Gegenstück zur Stream-Nähe, die wir hatten. 

Wenn im Stream etwas nicht funktionierte, und ich merkte es nicht, schrieb er mir das auf Discord, damit ich es hinterher prüfen kann. Hier der letzte Fehlerbericht aus März 2024
Trotz aller Späße und Ärgereien: Auf Toddi war Verlass. Wenn was nicht funktionierte, gab er mir Bescheid

Jedenfalls kam Toddi nicht wieder. Nicht auf Discord und nicht im Stream. Auch andere fragten mich im Stream, ob ich irgendwas wüsste. Leider nein. Ich hatte sogar daran gedacht, Toddi einen Brief zu schreiben, aber das kam mir auch irgendwie wie ein Übergriff in sein Privatleben vor. Und das Problem bei Online-Bekanntschaften ist, dass man kaum erfährt, wenn bei den Leuten im Real Life was passiert. Für die Angehörigen ist das Online-Leben vermutlich gar nicht real, sofern sie überhaupt davon wissen. Und so war mir klar, dass wir vielleicht nie erfahren, was los ist. 

Entsetzen und Unglaube

Und dann hatte das Warten am Samstag leider/zum Glück ein Ende. Auf dem Handy sah ich eine Benachrichtigung, dass Toddi mir auf Discord geschrieben hatte. Aus Freude wurde Schock und dann Trauer: Es war seine Schwester, die mir auf seinem Accout auf meine Nachfrage geantwortet hatte und mir mitteilte, dass Toddi gestorben war. Gestorben. Die Nachricht traf mich wie eine Faust. Toddi gestorben, schon vor anderthalb Wochen. Am 8. April. Einen Tag nach seinem ersten verpassten Stream. Als ich merkte, dass Toddi fehlt, war er noch am Leben. Am Tag danach, als ich langsam begann, mir Sorgen zu machen, starb er. Herzinfarkt. Als ich ihn anschrieb, war er schon seit zwei Tagen nicht mehr auf dieser Welt.

Ich hatte natürlich Sorge, als ich ihn auf Discord kontaktierte, aber war mir sicher, dass er wieder auftaucht. Man stirbt doch nicht einfach… Dass unser Toddi da schon nicht mehr unter uns weilte, will mir nicht in den Kopf :( Gestorben, während mein Leben ganz normal weitergeht – wie ist das möglich?

Auch jetzt schleicht sich immer wieder dieser Gedanke ein, was wird Toddi zu diesem traurigen Fall sagen, sobald er es mitbekommt? Natürlich sofort gefolgt von “…. ach stimmt ja, er wird es nicht mitbekommen, er ist weg”. Gefolgt von Verzweiflung. Die gefühlte Leichtigkeit aus der Zeit, als Toddi dabei war, scheint dahin zu sein.

Sein Profilbild und sein Name im Chat sind trotzdem so eingebrannt in meinen Kopf, dass ich jederzeit erwarte, ihn wieder auftauchen zu sehen. Und das Wissen, dass dem nicht so ist, macht mich unfassbar traurig. Für mich ist die Welt nun ein bisschen leerer geworden. 

Toddi ist nicht mehr da. All unsere Insider, seine Witzeleien, sein gesammeltes Moderator-Wissen – weg.

Die Nachricht, dass er gestorben ist, scheint unwirklich zu sein. Es ist ein ganz schwerer Verlust. Für mich, die sich so lange auf ihn verlassen hat. Für unsere gemeinsame Community, die Toddi durch seine Aktivität unterstützt hat und ihr eine Konstante war. Und ganz sicher für seine Angehörigen – die ihn “wirklich” kannten.


Nachtrag vom 8. November 2024: Ich denke noch immer sehr oft an Toddi. Gerade in dieser Woche der Wahl von Trump war er wieder sehr präsent. Nach der letzten Wahl 2020 haben wir zusammen gebangt, ob er wieder Präsident wird.

Außerdem habe ich die Netflix-Doku Das fantastische Leben von Ibelin gesehen. Es geht genau darum: Wie sehr man trauern kann um einen Menschen, den man nur online kannte. Toddi, ich vermisse dich.

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