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Von Indiana Jones, Archäologen und modernen Schatzsuchern

Sondler vs. Archäologen

Selten sind die Fronten zwischen Fachleuten und Laien, die beide Interesse am selben Objekt haben, derart verhärtet wie zwischen Archäologen und Sondengängern mit ihren Metalldetektoren. Das Reizwort für die Archäologen lautet „Schatzsuche“, während Sondler sich häufig zu Unrecht kriminalisiert sehen. Dieser Beitrag behandelt diese tiefe Kluft – als “nicht aktive” Bachelor-Archäologin und wegen meiner Hohlweg-Videos mit vielen Sondler-Abonnenten auf YouTube befinde ich mich irgendwie mitten zwischen den Stühlen und darf mir daher ein Statement erlauben :D
Sondler vs. Archäologen

„Das gehört in ein Museum!“ – dieser Ausruf stammt von dem Mann, dem Archäologen noch heute das nicht totzukriegende Vorurteil verdanken, auf Fedoras und Peitschen zu stehen. Indiana Jones ist Filmarchäologe, und wer nichts mit diesem Fachgebiet zu tun hat, dem fällt beim Thema „Archäologie“ immerhin sofort dieser eine Name ein. Indys vehemente Forderung mit dem Museum stammt aus dem Film „Der letzte Kreuzzug“ und zeigt deutlich seinen Anspruch, auf der guten Seite zu stehen. Die „Bösen“ sind gierige Grabräuber und Schatzsucher, die sich nicht um das erbeutete Kulturgut scheren, sondern nur um dessen Geldwert. Indy dagegen beansprucht das Fundobjekt per se und möchte es dorthin bringen, wohin es seiner Meinung nach gehört: Ins Museum, am Besten natürlich daheim in den USA.

Wenn es in der Wirklichkeit so einfach wäre wie in Indiana Jones‘ Abenteuern, dann gäbe es heute keine so tiefe und oftmals unüberbrückbare Kluft zwischen Hobby-Schatzsuchern mit Metallsonden und den Berufsarchäologen. Aber stellen wir die Protagonisten doch mal vor.

[toc]

Sondengänger – Moderne Schatzsucher

Mithilfe von Metalldetektoren kann man den Erdboden absuchen. Sie reagieren auf Metall in der Erde und piepsen, wenn sie etwas finden. Das kann weggeworfener Metallschrott sein oder ein Jahrhunderte alter Münzschatz. Sondler sind also die modernen Schatzsucher. Auf Feldern und in Wäldern herumzuspazieren und vielleicht einen echten Schatz zu finden – das ist ein spannendes Hobby.

Was macht man mit den Funden? Man kann sie behalten. Oder man versucht sie zu verkaufen. Indys Idee mit dem Museum ist manchmal auch eher unglücklich, denn in Deutschland ist das Schatzsuchen, bzw. genauer: das Ausgraben von historischem Kulturgut, verboten. Wer die Funde also abgibt, kann unter Umständen mit einer Strafanzeige rechnen. Verkaufen ist auch oft nicht so einfach, denn wer seine Ware zum Verkauf anbietet, der präsentiert sie – auf diese Weise wurden schon viele Verkäufer erwischt.

Berühmte Funde von Sondengängern

Immer wieder landen solche Geschichten in der Öffentlichkeit, weil sie alles beinhalten, was ein guter Abenteuerfilm haben sollte: Böse Schatzgräber, gute Fahnder und Archäologen, vorsichtige Anfragen im Internet, nächtliche Razzien – und natürlich einen Schatz.

Ein paar dieser berühmten Funde aus Deutschland:

  • Die Himmelsscheibe von Nebra, eine rund 4000 Jahre alte, verzierte Bronzescheibe, die 1999 bei Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Sie ist heute UNESCO-Weltdokumentenerbe.
  • Das Schlachtfeld am Harzhorn – 2000 fanden Sondler mehrere Metallgegenstände auf dem Harzhorn, einem Hügel in Niedersachsen. Nachdem sie herausfanden, dass die Teile römisch sind und nicht, wie angenommen, mittelalterlich, schalteten sie selbst das Denkmalamt ein. Es stellte sich heraus, dass hier, tief in Germanien, 235 n. Chr. eine Schlacht zwischen Römern und Germanen stattgefunden hatte. Die Geschichtsbücher mussten neu geschrieben werden.
  • Der Barbarenschatz von Rülzheim, ein Hortfund aus dem 5. Jahrhundert mit mehreren Silber- und Goldgegenständen. Gefunden 2014 in Rheinland-Pfalz.

Nebra Scheibe
Die bekannte Himmelsscheibe von Nebra

Der Reiz am Sondeln

Was der Reiz am Sondeln ist, kann ich nur mutmaßen. Ich glaube, die Suche nach Schätzen ist für uns alle ein Ausflug zurück in die Kindheit. Als wir vom Schatz im Silbersee lasen, vom Schatz der Nibelungen und deren Gold im Rhein, von Bernsteinzimmern, Nazigold, von Goldtöpfen und Regenbögen und sogar ganzen Piratenschatzinseln. Wir glaubten, dass die Welt diese Schätze für uns versteckt hat und wir sie nur finden müssten, um auf einen Schlag reich zu sein. Schatzsuche ist demnach gleichbedeutend mit der Suche nach dem Glück, nach der Erfüllung von Wünschen und dem Traum, morgen früh nicht in die Schule gehen zu müssen, sondern stattdessen Goldmünzen zu zählen. Ähnlich wie der Traum vom Sechser im Lotto. Vielleicht haben sich manche Sondler noch ein bisschen von diesem Traum erhalten.

Natürlich sind nicht alle Sondler reine Schatzsucher, die nach Gold und Reichtum suchen. Viele erhoffen sich auch, durch das Absondeln von Burgen oder historischen Stätten authentische, historische Gegenstände zu finden – egal, ob wertvoll oder nicht. Andere wiederum betrachten sich selbst als Hobby-Archäologen und wollen mit ihren gut dokumentierten Untersuchungen zur Forschung beitragen.

Allerspätestens mit dem Archäologiestudium fallen jedenfalls alle Illusionen über Schatzsuchen ab. Die Schätze unserer Kindheit sind keine unbefleckten Lottogewinne, sondern historische Überbleibsel. Sie warten nicht einfach darauf, gefunden zu werden und jemandem zu großem Reichtum und Berühmtheit zu verhelfen. Viel eher sind goldene Münzen, genau wie silberne Fibeln, bronzene Münzen, Keramikscherben, Ziegelmauern, Glasstückchen und viele Teile mehr nur Puzzlestücke. Sie tragen dazu bei, eine vergangene Zeit zu rekonstruieren.

Archäologen – Detektive des Erdreichs

Auch, wenn Indiana Jones uns weismachen will, dass Archäologen vor allem für die Bestückung von Museen verantwortlich sind, stimmt das so nicht. In der Archäologie geht es ganz und gar nicht darum, in uralte, versiegelte Kammern einzubrechen, eine goldene Reliquie von ihrem Sockel zu reißen und dann unter Revolverbeschuss vor riesigen Kugeln zu fliehen.

Der Schatz der Archäologen ist der Erkenntnisgewinn. Schätze sind hier relativ – auch eine Keramikscherbe, Pfeilspitzen oder Knochen sind für Archäologen Schätze, da sie Aufschluss über die untersuchte Zeit geben können. Silber und Gold sind eben nur aufsehenerregender. Dazu setzen sich Archäologen also den ganzen Tag auf den Boden und schieben mit kleinen Kellen Erde beiseite. Jede Bodenverfärbung ist ein wichtiger Fund, da er auf eine alte Grube oder ein Pfostenloch hinweisen kann.

Ausgrabung Versturz
Mit solchen Kellen graben Archäologen fein säuberlich alles frei

Ich muss nun ein wenig ausholen, um deutlich zu machen, warum es für Archäologen so schlimm ist, wenn Sondler ihnen die Arbeit abnehmen. Nachfolgend ein Mini-Crashkurs zur Archäologie :D

Die Stratigraphie: Oben jung, unten alt

Die eigentliche Arbeit der Archäologen ist viel unspektakulärer als im Film. An einer Ausgrabungsstätte untersuchen Archäologen den Boden von oben durch verschiedene Erdschichten nach unten. Die Logik ist simpel: Je tiefer etwas im Boden steckt, desto älter ist es, und alles, was darüber liegt, ist jünger, weil es später verschüttet wurde. Das ist die Stratigraphie, die „Erdschichtenkunde„. Beispiel: Die berühmte Stadt Troja wurde immer wieder zerstört und wie eine Schichttorte auf den Trümmern neu errichtet. So ergibt sich eine relative Chronologie: Funde in tieferen Schichten sind älter als Funde in höheren Schichten. Wie alt genau, das weiß man in einer ausschließlich relativen Chronologie nicht.

Wenn sich in diesen Schichten nun Gegenstände befinden, die eine genaue Datierung erlauben, kommt zur relativen Chronologie noch eine genauere absolute Chronologie. Wertvolle Datierungshilfen sind Münzen: Sie enthalten meist Hinweise auf den Herrscher, der sie prägen ließ, und dessen Regierungszeit ist in der Regel bekannt. So kann beim Fund einer Kaiser Trajan-Münze (Regierungszeit: 98 – 117 n. Chr.) man also sagen: Alles in der gleichen Schicht mit dieser Münze stammt aus dem Jahr 98 oder später. Die Trajan-Münze kann schließlich nicht vor Trajans Herrschaft entstanden sein.

Diese Münze ist also der „Terminus post quem“: Die damit zusammenhängenden Objekte können nur nach diesem Zeitpunkt in den Boden gelangt sein. Das Gegenteil ist der „Terminus ante quem“, der späteste Zeitpunkt der Verschüttung – alle Objekte müssen davor im Boden gelandet sein. Ein Beispiel ist der Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr., der z.B. die Stadt Pompeji vollständig mit Asche überdeckte. Alles unterhalb dieser Ascheschicht stammt demnach aus der Zeit vor dem Vulkanausbruch. Logisch, oder?

Während sich Archäologen nun durch ihre Schichten graben, zerstören sie die jeweils oberste Schicht dabei natürlich. Daher dokumentieren sie zuvor alles so genau – so kann man hinterher nachvollziehen, wie der „Tatort Ausgrabung“ in jeder einzelnen Schicht ausgesehen hat.

Stratigraphie
Der „Colaflaschen-Horizont“ ^^ Die Flasche ist ein Terminus post quem: Sie kann nicht vor ihrer Herstellung (frühestens Mitte 20. Jh.) in den Boden gelangt sein, also datiert alles in dieser Schicht in die gleiche Zeit oder später

Kontext oder kein Kontext, das ist hier die Frage!

Stellt euch Archäologen nun wie Kriminologen vor, die einen Tatort untersuchen. Denkt euch einen Raum, in dem drei Leichen liegen, ein Koffer voll Geld, ein Messer und eine Pistole. Was passiert nun? Kriminologen rücken an, fotografieren alles, stellen Beweismaterial sicher, suchen den Raum nach weiteren verdächtigen Gegenständen ab. Sie schauen, wer die Waffen in der Hand hält und wer damit wie getötet wurde. Am Ende können sie rekonstruieren, was passiert ist.

Genau das machen Archäologen auch, wenn sie sich durch die Erdschichten graben. Zwar geht es meistens nicht um einen Mord, aber das Ziel ist trotzdem, herauszufinden, was die Zeitgenossen damals so trieben. Dazu ist der Fundkontext elementar wichtig:

  • Eine Leiche kann völlig gleichgültig mit eingeschlagenem Schädel verscharrt worden sein – oder sie wurde liebevoll drapiert und geschmückt, bevor sie ihr Begräbnis erhielt.
  • Ein Beutel Münzen kann in einer Kellerecke liegen, weil das Haus wegen eines Erdbebens darüber eingestürzt ist – oder er wurde hastig vergraben, weil der Besitzer Angst vor einem Überfall hatte.

Solche Dinge klären Archäologen im Rahmen einer Ausgrabung. Daher ist es für Archäologen sehr wichtig, diesen Kontext zu kennen. Nur so kann er Fragen wie diese beantworten:

  • Was könnte hier passiert sein?
  • Wie könnte dieses Teil hierher gekommen sein?
  • Wer hat es verloren bzw. abgelegt?
  • Könnte der Fund auf größere Ereignisse, wie kriegerische Handlungen oder Naturkatastrophen zurückzuführen sein?

Wenn ein einzelnes Stück also ein Fund ist, stellt das gesamte Fundensemble, z.B. ein Grab, ein Haus oder ein Schlachtfeld mit allen Dingen darin und darauf den sogenannten Befund dar. Diesen Befund legen Archäologen sorgfältig frei, sie dokumentieren alles genau, fertigen Zeichnungen und Beschreibungen an und messen jeden wichtigeren Fund genau ein (Lage, Höhe).

Schöne römische Terra Sigillata-Scherbe

Ein einzelner Fund sagt nichts aus

Bekommt ein Kriminologe nur ein sauberes geputztes Messer vorgelegt, kann er damit kaum darauf schließen, ob, wann und wo es mal als Waffe genutzt wurde. Das gleiche gilt für den Archäologen, wenn ihm jemand eine einzelne Goldmünze vorlegt. Eine römische Münze, die mitten in Rom unter einem Marktplatz gefunden wird, hat eine völlig andere Bedeutung als die gleiche Münze, die in der hintersten Ecke Germaniens auftaucht, wo Römer eigentlich nichts verloren hatten. Eine Münze ist schließlich eine Münze. Man kann ihre Prägung, ihre Abnutzung und ihre Legierung untersuchen – dann hört es aber auch schon auf. Man kann die Münze ganz in Indy’s Sinne im Museum präsentieren, aber der Infotext dazu würde ziemlich schmal ausfallen, weil man eben nichts über den Kontext weiß.

Erkenntnisgewinn vs. Museum vs. Schatzsuche

Kommen wir zurück zu unseren Kriminologen. Nehmen wir an, den oben beschriebenen Tatort hätten fleißige Wichtel aufgeräumt, bevor die Kriminologen aufkreuzen. Die Experten bekommen nur noch eine Tüte mit den beiden Waffen und den Geldkoffer, alles andere ist weg. Dieser Mordfall würde niemals aufgeklärt werden. So gesehen sind Sondengänger die fleißigen Wichtel: Wenn der Detektor Alarm schlägt, graben sie sich durch die Erdschichten und holen den Gegenstand aus seinem Kontext heraus. Alles darüber und drumherum, etwa Keramik, Knochen, Bodenverfärbungen (die etwa auf eine frühere Holzkiste schließen lassen), zerstören sie ganz nebenbei.

Und damit befinden wir uns nun mitten auf dem Schlachtfeld von Archäologen gegen Sondler. Auch, wenn Sondler es gut meinen und ihre Funde – genau wie Indiana Jones – schön geputzt dem Denkmalamt vorlegen, versöhnt das die (echten) Archäologen nicht. Gut gemeint reicht eben nicht, und wer wie Indiana Jones im Film handelt, macht dem Erkenntnisgewinn einen Strich durch die Rechnung.

Besser ohne Befund als gar nicht?

Ein oft bemühtes Argument von Sondengängern ist, dass ohne ihre Metalldetektoren der Fund vielleicht niemals aufgetaucht wäre. Eine Himmelsscheibe von Nebra ohne Kontext im Museum ist doch besser als gar keine Himmelsscheibe von Nebra, oder?

Die Logik dieses Arguments ist nicht von der Hand zu weisen. Ohne die Finder, die die Scheibe beim Ausgraben leider auch beschädigt haben und sie später weiterverkaufen wollten, gäbe es ein UNESCO-Teil weniger. Und dieses spezielle Objekt beschäftigt Wissenschaftler auch ohne Kontext genug. Trotzdem – das Bodenarchiv, also der Befund, ist unwiederbringlich für immer zerstört. Archäologen hätten viel herausfinden können, z.B. Hinweise darüber, wie die Himmelsscheibe an diesen Ort gekommen ist, vielleicht auch, wer sie dort vergraben oder vergessen hat. Vielleicht hätte man noch weitere Gegenstände gefunden, die erklären würden, wozu man die Scheibe genutzt hat.

Sondengänger werfen den Archäologen nun dieses Denken vor: „Wenn die Archäologie das Objekt nicht bekommt, dann soll es keiner bekommen!“. Umgekehrt kann man den Sondlern erwidern: „Bevor ihr beim Ausgraben alle wichtigen Spuren für immer zerstört, das Objekt beschädigt und dann im Internet verscherbelt, soll es wirklich lieber im Boden bleiben – vielleicht wäre irgendwann jemand darauf gestoßen, der besser damit umgeht!“

So verheert ist also die Front.

Die Schatzsuche als rotes Tuch

Ein zusätzliches rotes Tuch für die Amtsarchäologen sind Sondengänger, die den historischen Wert der Funde nicht schätzen, sondern explizit auf Schatzsuche gehen, um einen Gewinn daraus zu schlagen. Hier wird es für die Archäologie schon fast persönlich, denn diese Haltung signalisiert ihnen: „Geschichte und eure Arbeit interessiert mich nicht, mich interessiert nur der materielle Wert“. Das ist so ähnlich wie ein Schmuckräuber, der die Beute einschmelzen lässt, um die Barren gefahrloser verkaufen zu können. Diese Haltung zeugt von mangelndem Respekt gegenüber einzigartigen Gegenständen mit eigener Geschichte.

Werbung für Raubgräberei
Diese Werbung ist ein Aufruf zur Raubgräberei

Lucyda und die Sondler

Wenn ich mich selbst betrachte, tue ich mich mit der Bezeichnung „Archäologin“ schwer, denn ich übe diesen Beruf ja nicht aus. Aber immerhin habe ich meinen Bachelor in Archäologie abgeschlossen und kenne daher die eine Seite der beiden verhärteten Fronten recht gut. Als angehende Archäologin, umgeben von (angehenden) Archäologen war meine Meinung zum Sondeln natürlich klar. Inzwischen betrachte ich das Thema aber differenzierter. Und das ist unter anderem auf mein eigenes Video zurückzuführen.

Es war einmal ein YouTube-Video über Hohlwege

Im September oder Oktober 2016 stellte ich auf YouTube ein Video online, das ich zuvor aufgenommen habe. Es behandelt die Suche nach Hohlwegen mit historischer Karte. Bis dahin war mein YouTube-Account völlig unbekannt, aber aus irgendwelchen Gründen schauten sich immer mehr Leute mein Video an und es entwickelte sich zum Selbstläufer. Auf einmal bekam es Likes und mein Account immer mehr Abonnenten. Völlig überrascht verfolgte ich diese Entwicklung und versuchte herauszubekommen, wer sich meinen Film anschaute. Sondler! An Accountnamen wie Schatzsucher, Treasure Hunter und SuperSondler war das recht leicht zu erkennen.

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Na klar, immerhin zeige ich im Video, wie man alte Wege im Wald findet, und auf alten Wegen kann man alte Sachen finden. Eine Einladung also zum Hohlweg Sondeln. Ich war zunächst entsetzt: Sondler sind schließlich alles Raubgräber! zertrampeln alles und nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Und ich helfe ihnen auch noch! Was, wenn ein Kommilitone oder Professor von mir das sieht? Kurzzeitig überlegte ich, das Video zu entfernen. Auf der anderen Seite war ich glücklich, dass jemand mein Video mag und sich dafür interessiert, was ich sage. Das brachte mich in eine Zwickmühle und ich musste mir Gedanken machen.

Gedanken zum Sondeln

Das Sondeln im Sinne einer Schatzsuche, also Raubgrabungen ohne jegliches Interesse und Verständnis für den historischen Hintergrund, und ohne Sorgfalt und Vernunft finde ich scheiße. Das ist ganz klar. Wer sogar nachts auf archäologischen Ausgrabungen rumläuft und Funde einheimst, gehört eingesperrt. Zeugnisse aus vergangenen Zeiten sind rar, es darf einfach nicht sein, dass sie unter der Hand irgendwo landen und niemals untersucht werden können. Aber auch eigene Reinigungs- oder sogar Restaurierungsversuche sollten Sondengänger nicht vornehmen – damit könnten sie den Gegenstand stark beschädigen. Diese Schatzsucher sind aber, denke ich, Hardliner. Die gibt es immer – auch beim Denkmalamt.

Werbung für Metallsuchgeräte
So eine Werbung macht mich rasend: Vorspiegelung falscher Tatsachen und Verharmlosung

Bezogen auf meine Videos ist es so, dass es um Hohlwege geht – und dort sollten sich zerstörbare Befunde sowieso in Grenzen halten. In alten Wegen wird man sicherlich interessantes Metall und auch Münzen finden, aber der Aussagewert dürfte relativ begrenzt sein. Hohlwege sind bereits per Definition nicht besonders gut für stratigraphische Fundauswertungen geeignet – graben sie sich doch selbst immer tiefer in den Boden und pflügen das, was es dort evtl zu finden gäbe, immer wieder um. Wenn jemand eine Münze verliert, kann die später hunderte Meter weiter mitgezogen oder weggespült werden. Daher kann ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, dass auch Schatzsucher mithilfe meiner Videos Hohlwege finden können.

Wenn ein Sondengänger dagegen grundsätzlich Interesse am Gegenstand und der Geschichte mitbringt und vielleicht nur aus Unwissenheit das Bodenarchiv zerstört, dann kann man aufeinander zugehen. Hier hilft vielleicht die gegenseitige Aufklärung und ein Vertrauensaufbau:

  • von Seiten der Amtsarchäologie:
    • wie funktioniert Archäologie
    • warum sollte man als Sondler vorsichtig sein
    • warum sollte man ggf. lieber das Denkmalamt anrufen, bevor man etwas Größeres ausgräbt
  • von Seiten der Metalldetektoren-Fraktion:
    • Kompromissbereitschaft zeigen und einen freiwilligen Sondler-Ehrenkodex befolgen
    • Gesetze, Rechte und Pflichten kennen
    • Fundorte vor und während des Ausgrabens per Foto und mit Koordinaten dokumentieren, Funde melden, und vor dem Ausgraben im Zweifel die Experten hinzurufen

Möglichkeiten der Kooperation

Zu bedenken ist, dass man das Sondeln, bzw. eher das nicht genehmigte Ausgraben zwar verbieten kann, das Verbot aber schwerlich durchsetzen bzw. kontrollieren kann. Daher sollten Denkmalämter grundsätzlich offener mit interessierten Sondlern umgehen. Diejenigen, die um Erlaubnis fragen, bzw. die sich melden, sind die, die es gut meinen. Es hilft niemandem weiter, diesen interessierten Sondengängern dann ein rigoroses Verbot auszusprechen. Damit fördert man noch das illegale Sondeln und die Weitergabe von Funden.

Wenn man dagegen offen mit den Hobby-Suchern umgeht, ihnen vielleicht Seminare anbietet und vorsichtige Genehmigungen ausspricht, dann schafft man verantwortungsbewusste Hobby-Archäologen, die ihrerseits wieder zur Aufklärung anderer beitragen können.

Gehen die Fronten einen versöhnlichen Schritt aufeinander zu, können beide Seiten voneinander profitieren. Sondler können mit Genehmigung nach ihren “Schätzen” suchen und bei tollen Entdeckungen offizielle Ehren einheimsen. Die Amtsarchäologen dagegen bekommen im Optimalfall fleißige Helfer, die Funde machen, die sonst so schnell nicht entdeckt worden wären. Der Nachteil ist, dass beide Seiten ein Stück weit vom eigenen Standpunkt abweichen müssen. Das Denkmalamt muss Hobby-Forschern Vertrauen schenken, die Hobby-Forscher können ihre Funde nicht zu Geld machen (falls sie das wollten).

Links zu offiziellen Kooperationen

Kommentare

9 Antworten zu „Von Indiana Jones, Archäologen und modernen Schatzsuchern“

  1. Hallo, ich bin mittlerweile seit 2019 als Hobbysondengänger unterwegs. Große Funde erwarte ich nicht da ich in NRW unterwegs bin . Es macht Spaß ,für mich ist es ein wenig Erholung und einfach mal abschalten zu können.. Zur Archäologie , ich hatte schon einige Funde und wo ich eine Fundbestimmung zu brauchte und diese auch umgehend bekommen habe.

  2. Christoph Vogler

    Hallo!
    Ich fange gerade mit dem Sondeln an, habe einige Vorbildung mit dem Mittelalter (Dartstellend ~1350 Köln Erzbischof Gennep Periode).
    Was mich am Sondeln interessiert? Alltagsgegenstände, die ich derzeit nicht kaufen kann, die ich aber ggf reproduzieren kann. Das allerdings nur mit Genehmigung und Absprache mit dem Archäologen, daran arbeite ich derzeit.
    Was ich in der Szene gut finde:
    Müll wegräumen, Munitionsfunde melden, Funde/Wissen teilen. Was ich negativ finde: Raubgräber ohne Verstand, Munitionssammler, Nazi Effektensucher.

  3. Christian

    Hallo Ravana,

    du beschreibst dieses Dilemma, in dem die Archäologie des 21. Jahrhundert steckt sehr gut. Als Archäologiestudent und ehrenamtlicher „Heimatforscher“ stehe ich etwa in derselben Position. Zu bedenken ist, dass die Archäologie ihre Ursprünge im Ehrenamt hat. Die Forschungsgeschichte der meisten Fundstätten beginnt mit einem interessierten Laien, der Funde birgt, Skizzen anfertigt und dokumentiert. Diese wertvolle erste Bearbeitung und Publikation entsteht meistens durch die Menschen vor Ort, die sich mit ihrer Heimat und ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Heute sind das oftmals die sogenannten „Sondler“ – ich kenne einige, die wirklich unermüdlich im Dienst der Denkmalpflege unterwegs sind. Leider ist allein schon der Begriff „Heimat“ fast schon verpönt. Die moderne archäologische Forschung ist stark abhängig vom politischen und finanziellen Kontext und ist daher gezwungen überregional, oft auch medienwirksam zu handeln – hier spielt der Begriff „Heimatforschung“ keine Rolle. Dort beginnt schon die Kluft und sie wird größer. Ich bin daher auch der Meinung, dass der Erhalt und die Erforschung von archäologischen Denkmälern auf Dauer nur sinnvoll umgesetzt werden kann, wenn Denkmalpflege, Heimat- und universitäre Forschung zusammenarbeiten. Nur so ist auch ein Rückhalt von der Bevölkerung zu erwarten, den wir dringend brauchen, um auch der Politik klarzumachen, dass unsere Arbeit – auch wenn nicht finanziell – gewinnbringend ist.

    1. Ravana

      Hallo Christian,
      vielen Dank für deinen Kommentar, der noch einbringt, wer denn überhaupt Forschung, insbesondere hier Heimatforschung betreibt. Stimmt, die Heimatforschung war eigentlich immer schon meistens Privatsache: Von interessierten Landbesitzern über ehemalige Offiziere bis zu Rentnern und heute eben engagierten Hobbyforschern. Es ist sehr schade, dass diese Tendenz im akademischen Bereich von Uni und Denkmalpflege meistens noch immer kaum beachtet wird.
      Ich freue mich aber, dass mein Beitrag hier schon einige gute Rückmeldungen von verschiedenen Seiten gebracht hat – immer wieder habe ich nun schon gehört, dass man ja mit dem Metalldetektor zu gerne mithelfen möchte oder zumindest nach den Regeln spielen möchte, aber der amtliche Weg werde derart erschwert, dass man schon entmutigt ist, bevor man nur den ersten Schritt aufs Feld gesetzt hat. Zuviel Bürokratie, zu wenig offen für Neues, zu herablassend – das ist das Problem.

  4. Der eine

    Sorry für die Schreibfehler, habs nur schnell runter getippt und dabei ein paar mal was umgeschrieben, daher teilweise so komische Sätze ;)

  5. Der eine

    Übrigens hätte ich auch zu Deiner Methode mit der Karte ne deutlich bessere Variante, die viel genauer und schneller ist und mit absoluter Sicherheit ein Gewinn auch für die Historiker wäre.

    So könnte man sich wenn es denn in Deutschland möglich wäre, auch von den angeblich bösen was lernen.

  6. Der eine

    Gut geschrieben.
    Es gibt auch Sondler die historisches Interesse haben oder durch das anfängliche „ich suche schnell nen Schatz“ dazu kommen.
    Ich hätte beispielsweise wichtige Funde eh abgeben, wenn ich welche gemacht hätte.
    Oder ich hätte auch Lust gehabt mal an einer Ausgrabung teilzunehmen (auch durchs Sondeln entstanden), aber ich werde nen Teufel tun,nachdem ich gesehen habe, wie mit anderen Leuten umgegangen wird wenn sie Funde melden.
    Selbst Sondler mit offizieller Genehmigung die einen Fund auf einem dauernd gepflügten Acker gut dokumentiert haben und ihn vor Leuten ohne Genehmigung die am nächsten Tag dort suchen wollten in Sicherheit gebracht haben und sofort die Behörden eingeschaltet haben, werden regelrecht gegängelt und bedroht.
    Sie werden nicht mal zur Pressekonferenz eingeladen und nicht mal als Finder in der Ausstellung vermerkt, sondern ihnen wird sogar angedroht die Reinigung zahlen zu sollen.

    Nein danke!

    Ich kann es auch nicht verstehen wie man Sachen einschmelzen kann, aber frag dich doch mal warum so viele das machen? Weil sie nicht nur nichts bekommen, nicht mal nen kleinen Finderlohn und oben drauf noch als Dankeschön wie Scheiße behandelt werden und dazu sich noch der Gefahr aussetzen für das Abgeben ne Strafe zu bekommen.

    Was ist denn schlauer? Zusammen zu arbeiten wie in England und lauter historische Funde zu machen, ehe sie vom Pflug komplett zerhächselt und dann in minipartikeln (und auch nur mit sehr viel Glück in 50 Jahren vielleicht mal) entdeckt werden, oder dass sie jemand in gutem Zustand findet und man wenigstens noch einige Erkenntnisse gewinnen kann ehe sie weggerottet oder zerhächselt wurden?
    Auf welchem Feld bitte gibt es denn bei den aufdem ganzen Feld durch den Pflug verteilten Sachen noch irgendwo einen recherchierbaren Zusammenhang.

    Würden die Finder gewürdigt würden viele nicht mal was haben wollen. Statt dessen kriegen sie noch Probleme.
    Wer ist denn so blöd sich das anzutun, selbst wenn er kein finanzielles Interesse hat?

    Sehr viele Sondler kommen durch das erste „Schatzsuchen“ auf ein Interesse an der Historie und wären daran interessiert, aber das geht eben in Deutschland garnicht.

    Ich möchte nicht wissen wie viel sicher schon wegen dieser becknackten Haltung an historischen Sachen verloren gegangen ist.
    Vermutlich hunderte male mehr als in den Museen liegt.

    Und warum das alles? Weil der deutsche Staat geld sparen wollte statt jedem nen kleinen Finderlohn zu geben und sich mal kurz alls aneignet.

    1. Ravana

      Hallo du einer :-)
      Danke für deinen langen Kommentar und den Bericht „von der anderen Seite“! Ich kann deine Haltung und deinen Frust gut verstehen. Du beschreibst sehr schön, wie es dazu kommt, dass sich beide Seiten nicht ausstehen können – es ist ein Teufelskreis aus gegenseitigem Misstrauen, Frust und Trotz. Und du hast Recht, am Ende „leiden“ die Objekte, die man lieber einschmilzt oder in einer versteckten Ecke des Internets vertickt..
      Und ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Finder nicht mal einen feuchten Händedruck bekommen. Die Prestigesucht mancher Akademiker ist einfach grenzenlos, ich und auch andere haben das auch schon erlebt. Wenn es um „niedriger Gestellte“ geht, z.B. nur ein Student, nur ein unerfahrener Kollege oder eben nur ein Sondengänger (das „nur“ bitte als Ironie lesen!), da reiben sich manche alteingesessene Damen und Herren die Hände und reißen alles an sich…
      Selbstverständlich hängt das aber vor allen von der einzelnen Person ab – nicht jeder ist so, genau wie bei den Sondlern auch. Wenn Archäologen morgens feststellen, dass über Nacht auf ihrer Grabung ganz neue Löcher entstanden sind und wichtige Befunde zerstört wurden, dann ist auch da die Wut und der Frust verständlich..
      Ich find es sehr bedauerlich! Daher hoffe ich auf offizielle Kooperationen. Manche Denkmalämter sind dafür sehr offen und sie sehen ein, dass es nichts bringt, Hobby-Archäologen zu unterschätzen. Da wäre z.B. Ulrich Himmelmann, Landesarchäologe in Speyer. Er hat sehr vernünftige Ansichten und hält auch öfters Vorträge darüber. Er wünscht sich eine engere Zusammenarbeit und setzt sich auch für Workshops und Schulungen ein.

      1. Der eine

        Ja, bei uns soll angeblich auch ein recht vernünftiger sein, aber will man das Risiko eingehen in irgendeiner Datenbank zu landen, nachdem man Haufenweise solche Berichte gelesen hat? Nein….
        Schade drum, hätte gerne mal mitgemacht!

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