Letzte Beiträge

  • Norwegen im Krieg: Drei Filmempfehlungen

    Norwegen im Krieg: Drei Filmempfehlungen


  • „Das ist eine Lüge!“ Die neueste Anekdote aus der Welt der Paketzusteller

    „Das ist eine Lüge!“ Die neueste Anekdote aus der Welt der Paketzusteller


  • Jasper Fforde – Grau

    Jasper Fforde – Grau


  • In Andenken an Toddi: Auch online-Abschiede tun weh

    In Andenken an Toddi: Auch online-Abschiede tun weh


  • Vegan seit mehr als einem Jahr: So läufts

    Vegan seit mehr als einem Jahr: So läufts


Der längste Tag

 

Diese Zeilen schreibe ich mit den letzten Kraftreserven aus dem Bett. Sollte der Text unvermittelt enden, wird die Welt wissen, dass ich der Erschöpfung erlegen bin.

Der totalen Erschöpfung, der vollendeten Zerstörung. Vielleicht so eine, wie zuletzt in Rom vor einem Jahr am ersten Tag nach sehr frühem Aufstehen in Deutschland und laufintensivem Programm mit Gepäck in Rom.

Heute jedenfalls. Unser Chef rief am Montag zum Ernstfall auf: Alle Hiwis wenn möglich heute antreten und bei einem Umzug helfen.

Das Mathematik-Institut auf dem Neuenheimer Campus ist in ein neues Gebäude gezogen und für unser Sprachlabor in der Altstadt durften wir 32 übrig gebliebene Tische abholen. Dazu die entsprechenden Stühle, und als persönlichen Gefallen für zwei Lehrbeauftragte zwei komplette Büroeinrichtungen. Nach 4 Stunden sollte der Einsatz abgeschlossen sein, so hieß es jedenfalls im Briefing.

Punkt 9 Uhr, oder anders gesagt, T -4h, standen also Pierre und ich heute morgen bei schönstem Sonnenschein am Einsatzort. Die Crew vergrößerte sich schnell um vier weitere Hiwis und unsere beiden Chefs, von denen der eine nicht schwer tragen darf und der andere zunächst mehr mit Inventarisieren beschäftigt war. Auch der bestellte 7,5 Tonner fand sich schnell ein. Er wurde gesteuert von unserer ca 60 Jahre alten, ergrauten Bibliothekarin o_O Ich staunte nicht schlecht. Aber gut, manchen Leuten sieht man nicht so an, was in ihnen steckt.

Bei T -3,5h und einigen aus dem ersten Stock getragenen Tischen (das Institut hat keinen Aufzug) dachte ich mir schon, dass es eine anstrengende Zeit wird. Ich hatte vergessen, was zu trinken einzupacken. Die Chefs begannen, die Büroeinrichtung auseinander zu schrauben. Es handelte sich um zimmerhohe Schrankwände (bestehend aus verschieden großen Regalen und abschließbaren Schränken, zwei Schreibtischen und drei Schubladencontainern), die im zweiten Stock standen. DAS INSTITUT HAT KEINEN AUFZUG.

Irgendwann waren alle Tische und Stühle unten, mit dem Schränke runtertragen hatten wir gerade erst begonnen und ungefähr bei T -2 begann ich festzustellen, dass es niemals hinhauen wird, die Operation wie geplant zwei Stunden später abzuschließen.

Bei T -1 spendierte Chef 1 jedem eine Flasche kühles Apfelschorle aus dem Automaten. Ambrosia!

Ach ja, das Institut hat keinen Aufzug. Das Runtertragen der Schränke forderte Tribut und zehrte schwer an der Konstitution. Oder vielleicht hat sich auch die Erdanziehungskraft auf 3g erhöht. Das Laufen begann schwerzufallen.

Bei T-1 brachten wir langsam die letzten Schränke und Regale nach unten zum LKW.

Bei T 0, dh. 13 Uhr, ließen wir eine Hiwi zur Beaufsichtigung der Tische und Stühle zurück (sie durfte mit erst kürzlich gebrochenem Arm sowieso nicht so schwer heben) und der LKW fuhr rüber in die Altstadt. Pierre und ich nahmen den Bus, weil in den Truck nur 3 Leute passen.

Bei T +0,5 (schnell noch einen Cappucino to go geholt!) trafen wir zeitgleich mit dem Laster an der Außenstelle unseres Instituts ein, wo wir die erste Büroeinrichtung abladen sollten.

Natürlich war der Professor, für den sie gedacht war, nicht da. Auch hatte er es versäumt, die drei alten Schreibtische mit Metallrahmen, die sich im Büro befanden und die in den Sperrmüll sollten, rauszutragen/raustragen zu lassen.  Mussten also auch wir machen. Es handelt sich zudem um einen Altbau mit sehr schmaler Eingangstür. Ungefähr 5 Männer waren nötig, um die großen Schreibtische da rein/raus zu bringen. Er hatte weiterhin niemanden im Haus benachrichtigt, dass wir kommen. Ergo machte keiner die Schranke auf, die anderen Mitarbeiter wussten nicht, was los ist und wir mussten den LKW in Blitzgeschwindigkeit ausladen, da die Straße in der Altstadt nur eine Spur hat. Es handelte sich, ich wiederhole es, um einen Gefallen für den Herrn. Wir EDVler sind keine Möbelpacker .. oder vielleicht einfach billiger als Möbelpacker. Man kann es sich wirklich sehr leicht machen..

Vielleicht war es inzwischen T +1,5, als wir hier fertig waren, oder in anderen Worten, 14:30 Uhr nachmittags. Um 13 Uhr wollten wir fertig sein..! Weiter ging es zum eigentlichen Institut, wo unsere Chefs drei freiwillige und unbezahlte Helfer rekrutieren konnten, so dass das Ausladen der zweiten Bürogarnitur recht schnell ging. Der LKW versperrte wieder die Straße, Passanten beschwerten sich, alles tat weh, alles nervte. Den Bürokram stellten wir erstmal in die Institutseinfahrt, damit wir schnell die zweite Fuhre aus dem Neuenheimer Feld holen konnten.

Bei T +2 ging es wieder los, diesmal fuhren Pierre und ich bei unserer toughen Truckerin mit. Nur 200m vom Institut mussten wir in einer engen Straße erstmal eine Weile warten und es kam fast zu einem Mexican Standoff, weil ein 3,5 Tonner unserem 7,5 Tonner den Weg verperrte und der gute Mann nicht zurück fahren wollte, um uns vorbei zu lassen. Passanten beschwerten sich, beinahe fielen böse Worte. Irgendwann setzte der andere doch zurück und wir konnten weiter.

Yeah, truckin' through Heidelberg! :D
Yeah, truckin‘ through Heidelberg! :D

Das Aufladen der zweiten Fuhre verlief ein bisschen wie unter Betäubung. Es ging recht schnell, weil die Einzelteile nicht mehr so schwer waren, und bald danach konnten wir wieder los – Pierre und ich wieder mit dem Bus in die Altstadt. Dort verlief das Ausladen und die Unterbringung der Tische und Stühle wieder recht schnell.

Aber da waren noch immer die großen Schränke der zweiten Bürogarnitur, die wir beim ersten Mal nur in die Einfahrt gestellt hatten. Sie sollten in den dritten Stock, aber das ist nicht schlimm, denn unser Institut HAT einen Aufzug. Allerdings 50m entfernt von der Einfahrt, also hieß es wieder, den Scheiss dort rüber zu bringen und in den Aufzug zu zwängen.

Ungefähr bei T +3,5 drohte die Stimmung zu kippen. Der Mitarbeiter, für den wir die Büromöbel mitgebracht hatten, war an diesem Tag leider verhindert. Und er hatte natürlich auch nicht die bisherigen Möbel weggeräumt: Ein zerlegbarer Schrank, bis auf die Farbe identisch mit dem neuen Schrank, den wir brachten (… -.-) und ein nicht zerlegbarer, massiver Holzschrank mit Glasscheiben, der sich nicht durch die Tür um die Ecke ziehen ließ. Was soll denn so ein Scheiss? Einen Gefallen gern annehmen, aber bloß nicht selber mithelfen? Wir waren seit 7 Stunden am Möbel Tragen und hatten langsam wirklich alle keine Lust mehr. Mittagspause mit was essen gabs natürlich auch nicht (gut so, schneller heim). Und die feinen Herren lassen sich ihre Möbel nicht nur anliefern, sondern auch die alten Möbel zerlegen und raustragen? Und sind nicht mal da, um selbst mitanzupacken? Da kann man schon ziemlich stinksauer sein. Es wurden dann also Bürotüren abmontiert und andere Schränke verrückt, um Platz zum Rausschieben des eh nicht mehr benötigten Schranks zu schaffen. Grrrrr..! Ich wiederhole nochmal, dass wir EDVler für das Computersprachlabor lediglich Tische abholen brauchten.

Während wir uns in der Institutseinfahrt an den Schränken zu schaffen machten, lief ein Vater mit kleinem Sohn davor vorbei. Der Sohn so: „Papa, was bauen die da?“ – Pierre geistesgegenwärtig: „Särge.“ :D

Bei T +4,5h, um 17:30 nach 8,5h Möbelpacken waren wir fertig.

Würde gerne wissen, was das das Institut gekostet hat. Immerhin 6 Hiwigehälter und drei Gehälter für Vollzeitmitarbeiter für 8,5h … So ganz wenig wird das auch nicht sein.

Den Muskelkater werden wir vermutlich noch Tage lang spüren. Und heute bin ich natürlich nicht dazu gekommen, was für meine Masterarbeit zu machen -.-

Ich musste danach noch schnell zur Bibliothek, Bücher abgeben und neue holen. 2,0 Promille sind gegen meinen Zustand direkt nach der Arbeit nichts, ich kam mir vor, als würde ich von Wand zu Wand torkeln und ich wusste nicht mehr, wo welche Buchsignaturen zu finden sind oO

Inzwischen geht es wieder, aber eben war ich zu kaputt, um am PC zu sitzen :D

Lucyda, (am) Ende.

Kommentare

2 Antworten zu „Der längste Tag“

  1. Niklas

    Klingt ja schreckich. Herzlichstes Beileid! :D Gibt es denn keine anderen Leute, die sich um die Möblierung der Institute kümmern?

    1. Ravana

      Ach doch, hochoffizielle Renovierungen und Umzüge werden von bezahltem Fachpersonal erledigt (dann fällt eben für 3 Wochen die Bibliothek aus .. -.-). Aber bei solchen unter-der-Hand-Aktionen wie hier, die eigentlich auch ganz schnell gemacht sein sollten und auf irgendwelchen Gefallen oder Beziehungen beruhen – da greift man gern auf bezahltes Unfachpersonal zurück :D

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kaffee spendieren