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Rezension zu „Zone of Interest“: Unser lieber Papa, der KZ-Kommandant

Die untere Hälfte des Bildes im Poster-Format zeigt den Garten der Höß-Familie. Statt eines Himmels gibt es nur einen schwarzen Hintergrund.

Eine Familie verbringt einen schönen Sommernachmittag an einem idyllischen Flüsschen. Kinder und der Papa planschen im Wasser, die Damen sitzen am Ufer und schauen zu. Nichts könnte diese Harmonie trüben. Die Szenen könnten direkt aus der Kamera eines Angehörigen kommen, der einen Familiennachmittag aufnimmt. Die Gespräche sind nicht zu verstehen, die ganze Szenerie ist insgesamt langweilig für den Zuschauer – wie jedes Video über irgendeine fremde Familie.

Und so setzt sich der Film “Zone of Interest” fort: Er zeigt den Alltag einer ganz normalen Familie in und um ihr Zuhause. Es ist aber keine ganz normale Familie. Der Papa Rudolf Höß trägt eine SS-Uniform und ist Lagerkommandant des KZ Auschwitz. Der ausgedehnte Garten, Mama Hedwigs ganzer Stolz – “Ich habe alles selbst geplant, hier war vorher nichts” – grenzt an eine hohe Mauer, hinter der das Stammlager Auschwitz liegt. 

Hin und wieder tönen von dort Schüsse, Schreie und gebrüllte Befehle herüber. Der Schornstein des Krematoriums raucht Tag und Nacht. Das scheint die Familienidylle aber nicht zu stören.

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Was ist der Film – und was nicht?

“Zone of Interest” basiert auf dem gleichnamigen Buch von Martin Amis aus dem Jahr 2014. Das wiederum basiert auf der Realität. Familie Höß lebte ab 1943 mit den vier beziehungsweise fünf Kindern drei Jahre in einem Anwesen direkt am KZ Auschwitz I (Stammlager).

Der Name des Films bezieht sich auf den gesamten Bereich von Auschwitz, in dem sich die drei Hauptlager und mehrere angeschlossene Nebenlager befanden. Dieses von den Nazis sogenannte “Interessensgebiet” wurde abgeriegelt und zum Aufbau des größten Vernichtungskomplexes aufgebaut. Es umfasste 40 Quadratkilometer. 

Ich würde den Film nicht als Spielfilm bezeichnen, denn es gibt keinen Spannungsbogen, Action oder Charakterentwicklungen. Es handelt sich eher um einen Arthouse-Streifen, der hin und wieder mit eigenwilligen Sounds und eingeschobenen Schwarz-Weiß-Szenen spielt, die für mich etwas fehl am Platz wirken. Aber ich bin auch keine Künstlerin, die das zu schätzen weiß :D

“Zone of Interest” kannst du unter anderem auf Apple TV und Amazon Prime für aktuell vier Euro anschauen. Der Film von Jonathan Glazer gewann 2024 die Oscars für den besten Ton und den besten internationalen Film.

Viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben den Film mit nur einem Stern bewertet, eben weil “nichts passiert” und “Schindlers Liste besser ist” und “kennt man alles schon”. Dem kann ich nicht zustimmen. Man kann sich einem Thema auf verschiedene Weisen annähern. Schindlers Liste tut das mit grauenhaften Bildern und der vollen Schock-Ladung. “Zone of Interest” ist stiller, deswegen aber nicht weniger eindrücklich. 

Familienleben neben Tötungsmaschinerie

Ja – wir alle wissen, was auf der anderen Seite der Mauer passiert. Deswegen muss man es auch nicht zeigen. Der Blick auf den Familienalltag mit Gartenpartys, Gesprächen über Profanitäten und Papas Geburtstag mit den KZ-Geräuschen im Hintergrund ist bedrückend genug. Ich stelle mir die Frage, wie sowas geht: Wie kann man die Geschehnisse derartig ausblenden und vollkommen fein mit dem sein, was da los ist? Ich spreche hier von Hedwig Höß, der guten Hausfrau. Ihr Mann ist ja verantwortlich für die effiziente Lagerführung, und Effizienz bedeutet im Fall von Auschwitz das effiziente Töten von mehr als einer Millionen Menschen. 

Hedwig Höß stand mit reinem Gewissen hinter dem Holocaust. Sie profitierte auch davon: In ihrem Haushalt beschäftigt sie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem KZ. Immer wieder lässt sie jüdische Besitztümer wie kostbare Pelzmäntel aus dem Lager abholen und von den KZ-Haushaltsgehilfinnen anpassen. 

Ein Mann in KZ-Kleidung schiebt eine Holz-Schubkarre durch den Garten. Im Hintergrund, nur ein paar Meter entfernt, befindet sich die KZ-Mauer, dahinter sind Dächer der KZ-Gebäude zu sehen
Hedwig kann sich als vielbeschäftigte Hausfrau und Mutter natürlich nicht allein um den Garten kümmern. Dafür hat sie einen Zwangsarbeiter.

Immer wieder schockiert mich der Film. Wie kann man so “normal” wirken und so monströs sein? Hinter der Mauer werden Menschen aufs Schlimmste entmenschlicht und getötet, und direkt daneben erfreut sich die gute Hedwig an ihren gottverdammten Büschen. Ich weiß nicht, wie historisch genau Hedwig dargestellt wird, aber was ich nach dem Film über sie gelesen habe, scheint das Gezeigte im Wesentlichen schon hinzukommen. Dass es solche Menschen gibt – die nicht direkt am Mord beteiligt sind, die aber davon wissen und  kein Problem haben, in nächster Nähe zu leben und eiskalt davon profitieren, erregt Übelkeit in mir.

Rudolf und Hedwig Hess stehen am Ufer eines Flusses. Sie werden von hinten gezeigt, Hedwig ist ihrem Mann halb zugewandt.
Die Protagonisten: Christian Friedel als Rudolf Höß und Sandra Hüller als Hedwig Höß

“Zone of Interest” zeigt Rudolf Höß als Mann mit zwei Seiten. Den Mann, der mit seinen Kindern spielt und sie besorgt aus dem Fluss scheucht, als eine große Ladung menschliche Asche angeschwemmt wird (das Entsorgen von Asche im Fluss entspricht laut Wikipedia ebenfalls den Tatsachen). Und den Mann, der mit anderen hohen SS-Männern im Salon Entwürfe für neue, größere Verbrennungsöfen im angeschlossenen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau bespricht. 

Die Verantwortlichen der Verbrechen des Dritten Reichs als “normale Menschen” dargestellt zu sehen, ist schmerzhaft und schockierend. Es wäre einfacher zu wissen, dass diese Personen durch und durch “nicht normal” sind – Monster eben. 

Der Film bringt diese Normalität meistens sehr authentisch rüber. Dazu tragen insbesondere die Gespräche bei, die natürlicher wirken als in anderen Filmen. Anders als man das normal kennt, sprechen die Charaktere nicht immer ausgefeilte, fertige Sätze. Immer wieder rutscht hier und da ein “äh” durch, Sätze werden abgebrochen und neu begonnen.

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