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Plätschern statt strömen – Internet auf dem Lande

Mobilfunkmast Wilhelmsfeld

Ach, ihr lieben Leute. Wie schön ist es, auf dem Land zu leben. In unserem Fall im Wald, mitten auf dem Berge, wo DSL-Leitungen leider nicht auf den Bäumen wachsen. Die Sonne scheint auf die Süd-Terrasse, Vöglein zwitschern und das Bächlein plätschert. Es plätschern auch die Bits und Bytes, die uns mit der großen weiten Welt verbinden. Sie strömen nicht, sie plätschern.

Okay, in anderen Worten: Da, wo wir wohnen, gibt es die heutzutage wohl kleinstmögliche DSL-Bandbreite von 16 mbit/s. Also theoretisch. Oder genauer, dafür zahlen wir, aber was tatsächlich reinkommt, sind laut Fritzbox-Router an guten Tagen 10 mbit (wäre akzeptabel) und an schlechten Tagen 4,2 mbit.

Eigentlich immer noch Neuland

Längst vergessen sind eigentlich die Zeiten, zu denen man sich per 56k-Modem-Gepiepse in das World Wide Web einklinkte und die Online-Zeiten zu horrenden Preisen minütlich abgerechnet wurden, während sich langsam MySpace-Seiten mit blinkenden Gifs und rotem Text auf blauem Grund aufbauten. Trotzdem kommt mir das noch immer sehr bekannt vor. Im Vergleich zu jenen fast schon sepia-farbenen Tagen vom allerletzten Ende des vergangenen Jahrtausends piepst zwar nix mehr, aber auf das eine oder andere Bild müssen wir leider trotzdem verzichten. Ist wirklich so.

Ja, 4,2 mbit ist schon was. Es scheint noch gar nicht so lange her, als ich in meiner Eigenschaft als „Welcome Manager“ (Telekom-Azubi) im magentafarbenen T-Punkt stand und den Leuten erzählte, dass 56k-Modems out seien, und auch die Tage von 128 kbit-ISDN-Verbindungen („mit zwei Telefonkanälen, damit Sie und Ihre Tochter gleichzeitig telefonieren können!“) seien gezählt. Denn es gäbe nun*) T-DSL, das sagenhafte 768 kbit/s ermöglicht, eine Verzehnfachung der bisherigen bestmöglichen Bandbreite, nichts weniger als eine Revolution!

*) „nun“ = das unschuldige Jahr 2000

T-Punkt in der Stuttgarter Königstraße
Meine Wirkstätte für ein paar Wochen im Jahr 2001 – mit dem Blick direkt ins T-DSL-Heiligtum, „Speed erleben“ – so steht’s auf dem hypermodernen Deckenmonitor

768 kbit sind fast schon 1 mbit, und tja, ich meckere heute über 4,2 mbit. Aber damals schrieb man auch die Kilobyte-Größe unter eine Bildervorschau, damit der Nutzer wusste, auf welche Abenteuer er sich einlässt, wenn er zum Vergrößern draufklickt. Ich jedenfalls machte das, als ich damals, ab 2002, Bilder auf meine erste Website hochlud („boah, 134 KB“). Heute knallt man ganz ohne Vorwarnung nur aus designtechnischen Gründen mehrere MB große Bilder und Videos in den Header rein.

Oder man lädt 2 – 8 GB große Videos auf YouTube hoch, so wie ich. Im Dezember begann ich mit Spiele-Let’s plays, was bedeutet, dass ich nun jeden Tag ein bis zwei neue Videos habe, die hochgeladen werden wollen. 8 GB ist wirklich die heftige Ausnahme, üblicherweise sind die Videos eher so 3-5 GB groß. An schlechten Tagen lade ich mit meinen „bis zu 1 mbit im Upload“ locker 6 – 9 Stunden, um ein Video auf die Plattform zu hieven.

Wenn es ganz dumm läuft, bricht der Upload irgendwann ab, ich muss von vorne anfangen und mein streng getakteter Sendeplan gerät aus den Fugen.

Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir einen Netzausbau

Natürlich habe ich bei jeder möglichen Internetfirma schon gecheckt, ob sie uns irgendwas anbieten können, was matschfreies Streamen und bunte Bilder ermöglicht. Die Telekom-Seite scheint sich nicht entscheiden zu können und schwankt je nach Tagesform zwischen „gar nichts“ und „DSL-LTE-Hybrid-Tarif“.

Traurig checke ich auch alle paar Monate die Netzausbaukarte der Telekom, um zu sehen, ob wir nicht auch irgendwann in den Genuss von „Speed erleben“ kommen. In unserer alten Wohnung in Schönau hatte diese Karte tatsächlich irgendwann gute Nachrichten: Unsere Straße wurde tiefmagenta eingefärbt und wir erhielten ein paar Monate später „bis zu 50 mbit“. Man, war das eine Party!

An schlechten Tagen lädt die Netzausbaukarte nun gar nicht, weil unser Internet so langsam ist. Was traurig ist, denn Leute mit Hochglanzverbindung brauchen sich die Karte ja gar nicht anschauen, die sind ja schon glücklich. Ist das eine Art fieser Spott von der Telekom? Hahahahaha, ihr seid doomed! Jedenfalls ist die eine Hälfte unseres Walddörfchens mit 150 mbit gut versorgt und die andere nicht. Internet-Zwei-Klassen-Gesellschaft!

Aber! Es gibt doch eine Alternative. Sorgten früher die Buchstaben „DSL“ für glänzende Augen, ist es nun „LTE“. Schnelles drahtloses Mobilfunk-Internet! Zu meinen verblichenen Telekom-Zeiten unvorstellbar, dass Handy-Internet mal viel schneller sein könnte als Leitungsinternet. Und ja, sogar bei uns ist LTE, also 4G-Internet, verfügbar. Während ich das hier schreibe, habe ich den Funkmast auf der anderen Seite des Tals fest im Blick. Er steht ungefähr 300 Meter entfernt und man sieht ihm gar nicht an, dass er als Tragpfeiler, gleichsam als Lebenssäule für bestimmt Hunderte hoffnungsvolle LTE-Nutzer in unserem schönen Tale dient.

Mobilfunkmast Wilhelmsfeld
Der heilige Mobilfunkmast in Wilhelmsfeld! Ja, er strahlt wirklich so, ich würde niemals Bilder derartig bearbeiten, niemals!

Und so klinke ich mich also für das Studium der Netzausbau-Karte mit meinem Handy aus dem häuslichen WLAN aus und greife mit LTE auf die Karte zu, die allerdings weiterhin keine tiefmagenta Nachrichten für uns hat.

LTE als Alternative zu DSL?

Corona hier, Corona da, Corona ist an allem Schuld. Schlechtes Wetter? Corona. Schlechtes Internet? Corona. Ob nun Pandemie oder nicht, jedenfalls brach das Internet im März weiter ein. Vermutlich klauen die Nachbarn unsere Bandbreite. Online-Speedtests spuckten eine Download-Bandbreite von unter 1 mbit aus. Untragbar.

Natürlich gibt es nun Mittel und Wege, um auch Landpomeranzen akzeptabel ins Netz zu bekommen. Wir haben das jetzt im März alles durchgespielt. Ein LTE-Tarif mit unbegrenztem Datenvolumen wäre da schon was. LTE verspricht je nach Anbieter Downstreamraten von bis zu 500 mbit. Klingt wie Musik in meinen Ohren! Die entsprechende LTE-Verbreitungskarte allerdings holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück und zeigt bei uns „nur“ bis zu 225 mbit an.

Es gibt auch, wie wir festgestellt haben, Router extra für LTE. Grundsätzlich schiebt man dort nur die SIM-Karte mit dem XXL-Volumentarif ein und schon braucht man kein DSL mehr.

Solche Router gibt es in einfachen Ausführungen, zB. komplett mobil, damit man auch unterwegs immer einen WLAN-Hotspot dabei hat. Ob auf dem Campingplatz, auf der Skipiste in den Tiroler Alpen oder beim Schlendern in Rom. Ja, das hat schon was. Es gibt auch vollwertige Router mit integrierter Telefonanlage, Anrufbeantworter und LAN-Buchsen hinten dran, um dort die nicht WLAN-fähigen Geräte einzustecken (Stichwort: Powerline <3, Netzwerk über die Stromsteckdose). Und das komplett ortsungebunden, weil es ja keine feste DSL-Leitung ist, sondern ein mobiler Datentarif.

Sehr verlockend. Wir haben das getestet und mal so einen Tarif gebucht. Da fängt es allerdings schon an. 65 € kostet ein Tarif mit unbegrenztem Datenvolumen (200 oder 250 GB wären für uns, d.h. zwei Zocker und Videostreamer, zu mickrig gewesen).

Hach, wie schön ist schnelles Internet!

Eine Woche lang testeten wir immer wieder die Internetgeschwindigkeit, die bei uns per LTE ankam. Und die schwankt von Minute zu Minute. In den besten Minuten bekamen wir an die 50 mbit Down- und Upstream, in den schlechtesten nur 5 mbit im Downstream – der Upstream lag meistens bei 20 – 35 mbit. Klar, die Geschwindigkeit hängt davon ab, wer gerade alles mobile Datenströme verursacht. Da reicht es ja schon, wenn jemand auf der Durchfahrt Spotify streamt, um die verfügbare Bandbreite am Mast für alle anderen zu verringern.

Trotzdem – die durchschnittlich 15 – 25 mbit, die wir hatten, waren eine schöne Zeit. Testhalber startete ich einen Spieledownload von rund 60 GB – das würde normalerweise zwei bis drei Tage „ziehen“ bedeuten (bevorzugt nachts, tagsüber möchte man ja bunte Bilder im Browser sehen), aber jetzt rauschte das Game innerhalb von wenigen Stunden auf die Platte. Mensch, ist das komfortabel. Auch das Hochladen von Videos auf YouTube – anstatt das am Tag zuvor zu erledigen, damit es am geplanten Tag auch wirklich verfügbar ist, stieß ich den Upload an und nach 30-40 Minuten war das Video schon hochgeladen. Ein Traum!

Letztlich haben wir uns aber erstmal dagegen entschieden und den Vertrag widerrufen – mit blutendem Herzen. 65 € sind schon ein Wort mit Gewicht. Hätten wir tatsächlich Traumraten von 100 mbit, oder auch „nur“ konstant 50 mbit bekommen, wäre das etwas anderes, aber die 15 – 25 inklusive der Einbrüche bis auf 5 runter – neee. Beim gleichen Anbieter kostet Festnetz-DSL mit 50 mbit bei unbegrenztem Volumen 35 €.

Zumal auch der aktuelle DSL 16-Vertrag mit seinen monatlichen 30 € noch weiterläuft. Ein mögliches Sonderkündigungsrecht mal beiseite genommen.

Interessantes Experiment mit Potential

Für mich war es ein interessantes Experiment, bei dem ich auch viel gelernt habe. Z.B., dass „Internet aus der Luft“ (LTE) eben nicht das gleiche ist wie „Internet aus der Telefondose“ (DSL) – LTE gab es zu meinen Telekom-Azubi-Zeiten noch nicht (GPRS war das High-Tech-Wort der Stunde!). Schmerzhaft musste ich realisieren, dass Pierres Voice-over-IP-Telefon, das er für die Arbeit braucht, nicht einfach so funktioniert, wenn man das LAN-Kabel an den (mobilen) LTE-Router anschließt. Offenbar überträgt LTE standardmäßig keine Sprache, weil es eine andere Technik nutzt.

Wer LTE also wirklich als Ersatz für DSL verwenden möchte, der braucht schon einen etwas besseren Router als einen einfachen LTE-WLAN-Hotspot, wie wir ihn kurzzeitig hatten.

Aber, wenn die Zeit reif ist (die Zeit zur Kündigung des laufenden DSL 16-Vertrags), werde ich wieder einen strengen Blick auf LTE richten. Vielleicht wagen wir dann einen neuen Versuch. Oder vielleicht hat ja die Netzausbaukarte bis dahin endlich eine gute Nachricht für uns…

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