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Cooler als Florenz: Lenzen an der Elbe

Das Haus hat einen tiefen Hauseingang. Eine zweiflügelige Holztür mit Schnitzereien führt ins Haus. Die Seiten des Eingangs sind mit Holz vertäfelt, ein Tonnengewölbe schließt nach oben ab.

Von Freitag bis Sonntag waren wir zu einem spontanen Kurzurlaub im kleinen Örtchen Lenzen in Brandenburg. Es liegt fast genau zwischen Hamburg und Berlin. Eigentlich kamen wir nur wegen eines ganz speziellen Hotels – aber die Umgebung, nämlich die Stadt Lenzen und das Naturschutzgebiet an der Elbe, hat mich so umgehauen, dass ich jetzt drüber schreiben muss. Und weil ich dazu tendiere, viel zu viel zu schreiben, wenn mich etwas begeistert, mach ich das diesmal als Interview mit mir selbst. Dann kann ich mich zur Not daran erinnern, mich kurz zu fassen :D

Dann lasst das Interview beginnen!

Lucyda: Hallo Lucyda, danke, dass du dir Zeit für das Interview nimmst.

Lucyda: Klar, gern. Ich erzähle ja immer gern.

Ich weiß. Ihr wolltet zu einem bestimmten Hotel? Welches denn?

Zum Ahead Burghotel. Ich hab vor einem Jahr oder so mal davon gehört. Wie du weißt, leben wir vegan und das Ahead-Hotel ist eine rein vegane Unterkunft.

Das Foto zeigt Pierre mit einem dunklen Pulli. Er sitzt am Frühstückstisch und schaut mit einem Stück Melone im Mund an der Kamera vorbei. Er hat einen Dreitagebart und trägt eine Brille
Das Frühstück hat Pierre definitiv gemundet.

Das Hotel: vegan, ökologisch, wunderbar ruhig 

Und deswegen wolltet ihr unbedingt dahin?

Jaaa. Als Veganerin ist es ziemlich anstrengend, in normalen Hotels nach rein pflanzlichen Speisen zu schauen. Ein rein veganes Hotel macht die Sache deutlich einfacher. Außerdem machte das Ahead-Hotel auch sonst einen tollen Eindruck, weil laut Website…

Nur ein Teil des Frühstücksbuffets. Niemals hätte ich alles probieren können, es war einfach zu viel. Salate und Aufstriche sind zudem wohl auch hausgemacht.

… Sorry für die Unterbrechung, bitte kurz fassen. Denk an deine Leserinnen und Leser!

..jaja, danke. Das Hotel wirbt mit seiner großen Achtsamkeit in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften, Ökostrom, Zusammenarbeit mit regionalen Bio-Produzenten und noch viel mehr. Das alles ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Auf der Website werden die Maßnahmen genau erklärt. Alles dreht sich darum, einen möglichst geringen Fußabdruck zu hinterlassen und trotzdem einen Wellness-Urlaub machen zu können.

Auch das zugehörige Restaurant Place to V bietet nur pflanzliches Essen von regionalen Produzenten, teilweise auch Kräuter und Obst aus dem eigenen Burggarten. Deswegen wollten wir dahin. 

Fein. Und wie wars?

Wie erwartet super. Bleiben am Ende des Tages im Restaurant Lebensmittel übrig, werden die fürs Frühstück am nächsten Morgen verwendet. Das wird so im hoteleigenen Magazin (auf Recycling-Papier gedruckt :D) erklärt und wir haben das auch erlebt. Auf der Speisekarte im Restaurant gibt es aktuell zum Beispiel “Pilzpralinen” als Vorspeise. Das sind Kugeln aus Pilzmasse. Hab’s probiert, super lecker. Offenbar blieben Pilze übrig: Morgens gab das Buffet eine heiße Pilzpfanne her. Am nächsten Abend waren die Pilze schon alle, als wir zum Futtern hingingen – und morgens gab es entsprechend keine Pilzpfanne.

Blick auf die Pilzpralinen-Vorspeise: Falafel-artige dunkle Kugeln liegen auf grünem Erbsenpüree. Dazwischen Radieschenscheiben und frische Sprossen.
Meine Vorspeise: Pilzpralinen auf Erbsencreme mit Radieschen und Sprossen. Sehr lecker!

Coole Geschichte, aber wie war es denn nun?

Ups, sorry. Ey, die Mitarbeiterinnen waren so nett. Wir kamen im strömenden Regen an und die junge Rezeptionistin begrüßte uns gleich mit: “Ihr seid Debbie und Pierre, oder?” Äh, jaaaa?! Und sie achten auf Geburtstage! Pierre hatte am Anreisetag Geburtstag und die Rezeptionistin gratulierte ihm direkt. Im Zimmer fanden wir eine handgeschriebene Glückwunschkarte. Die sind echt aufmerksam und super lieb. Alles auch per Du. Wir haben uns gleich wohl gefühlt. Das lag auch an der Massage.

Rückseite der Karte aus Umweltpapier. Mit Kuli steht dort geschrieben: "Lieber Pierre, wir wünschen Dir alles Gute und Liebe zum Geburtstag! Wie schön, daß Du ihn hier bei uns verbringst :) Liebe Grüße vom ahead-Team"
Diese Karte fanden wir im Hotelzimmer

Massage? Du hast wohl einen Goldesel im Keller? Wieso gibst du unser ganzes Geld aus?

Junge, nein? Das war unser Ausgleich für die schlimme Zeit mit Lopi. Im Hotel gibt’s Yoga-Kurse, einen Fitnessraum, zwei Saunen und eben auch buchbare Massagen. Ich hatte noch nie eine und wir haben uns jeder eine halbe Stunde Massage gegönnt. Ich glaub, ich bin dabei eingeschlafen. So gut!

Die Burg: Natur und heimische Tiere

Ich werd’s mir merken. Zurück zum Hotel. Es ist ein Burghotel, oder? Also in einer Burg. Auch irgendwie speziell.

Genau. Kein langweiliger Betonklotz oder so. Das Hotel besteht aus einem Ensemble historischer Gebäude in einem großen Burgpark. Die Burg gehört der Naturschutzorganisation BUND, die sich für Umwelt und Natur der Umgebung einsetzt. Da passt das Hotel mit seinem Konzept natürlich super rein. In der Burg gibt’s auch eine Ausstellung zur Geschichte der Stadt Lenzen und natürlich zu den Besonderheiten der Umgebung und ihrer heimischen Tierarten. Seeadler soll es geben und direkt auf einem der Burggebäude nistet ein Storchenpaar.

Das Foto zeigt Debbie im Vordergrund. Sie schaut verschmitzt in die Kamera. Ein schmaler Trampelpfad führt in Richtung zum beige-gelben Burggebäude im Hintergrund.
Irgendwie haben wir keine richtigen Bilder von der Burg gemacht. Deswegen sieht man sie hier nur im Hintergrund vom Naturgarten aus.

Habt ihr die gesehen?

Was, Seeadler oder Störche? Adler, keine Ahnung, ich glaube nicht, aber Störche ständig. Das Nest ist ziemlich gut zu sehen und aus dem Frühstückswintergarten haben wir den Storch an beiden Morgenden nur wenige Meter vor dem Fenster nach Baumaterial suchen sehen. Von unserem Zimmer aus hatten wir außerdem direkten Blick auf ein weiteres Storchennest. So krass! Und der Burggarten, der ist nicht nur groß, sondern es gibt auch eine Art Lehrpfad.

Ein Storch steht mit Ast im Schnabel auf einer Wiese
Meister Storch hat Baumaterial gefunden…
Der Storch ist gerade abgehoben und ich hab ihn im Flug erwischt. Der Hintergrund ist daher unscharf. Im Schnabel hat er noch immer den Ast.
… und bringt es zum Nest.
Storch in seinem Storchennest auf dem Schornstein eines Burggebäudes
Hier wohnt der Storch

Lass mich raten: Über Tiere und Natur?

Haha, genau. Die einen mögen sagen, der Garten ist verwildert, aber laut Beschreibung ist er einfach naturbelassen, weil das die Biodiversität fördert. Der Pfad führt über verschiedene Stationen, an denen man was ausprobieren oder sich bewegen kann. Wir haben viel über Wälder, Auenwaldböden und Gewässer erfahren. Ich hätte vor dem Kurzurlaub nicht gedacht, dass es neben dem reinen Chillen im Hotel auch echt was zu entdecken gibt.

Und wir haben den einzigen vollen Tag auch super genutzt. Morgens Massage, nachmittags 13 Kilometer spazieren gehen durch die Elblandschaft und abends nochmal “Lost Places”-Rundgang in Lenzen.

Biosphärenreservat: Vögel, die ich sonst noch nie gehört habe

Langsam, eins nach dem anderen. Was ist mit der Elblandschaft?

Ich hab’ auch erst jetzt gelernt, dass es ein “UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe” gibt. Lenzen liegt im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg. Die Elbe sieht dort flussaufwärts noch ganz anders aus als in Hamburg und weiter Richtung Nordsee: viel natürlicher und ursprünglicher. Das Ganze ist ein Naturschutzgebiet, in dem viel dafür getan wird, dass sich die Tier- und Pflanzenwelt erholen kann. Das war sehr beeindruckend.

Die Elbe ist nicht kanalisiert, ihre sandigen Ufer sind mit Büschen und Bäumen bewachsen.
Die Elbe am Lenzener Hafen, wo eine Fähre zur gegenüberliegenden niedersächsischen Seite fährt.

Öh, was genau war denn beeindruckend?

Nach der Massage (mmmmmh) sind wir mit dem Auto 15 Minuten zum Bereich der Deichrückverlegung in der Nähe gefahren. Das ist ein Natur- und Hochwasserschutzprojekt, das für alle eine Win-Win-Situation ist, wie ich gelernt habe. Jedenfalls gibt es dort einen Rundwanderweg, der über die Deiche und durch das Gebiet der Elbauen führt. Was man da an Viechern hört und sieht! Schau (und hör!) dir dieses kleine Video an, das ich dort aufgenommen habe.

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Da quaken Frösche, Milliarden Vögel zwitschern, ein Kuckuck kuckuckt. Das war so krass. Ich lebe selbst auf dem Land und die Vögel hier bei uns im Wald kauen mir im Frühjahr echt ein Ohr ab, aber ich glaube, ich habe noch nie so viele Tiere gleichzeitig gehört wie dort in der Elbtalaue. Mindestens zwei Vögel waren mir vom Gezwitscher auch vollkommen unbekannt. Keine Ahnung, was das war. Sowas erlebe ich sonst nur im Zoo.

Foto auf dem alten Elbdeich: Im Vordergrund steht ein alter, toter Baum ohne Blätter, rechts im Hintergrund ein alter DDR-Grenzwachturm.
Rad- und Wanderweg auf dem alten Elbdeich. Rechts hinten der alte DDR-Grenzwachturm.

Ein Herz für Vogelfreunde. Und was gibt’s da sonst zu sehen?

Naja, normalerweise wird Landschaft ja irgendwie genutzt. Als Felder oder Äcker oder Wälder. Aber hier sah es stellenweise so aus, als wäre nie ein Mensch da gewesen. So ursprünglich. Gewässer und Nebenarme der Elbe, in denen sich der Himmel spiegelt. Der Wind, der über die Wiesen streicht. Als Naturschutzgebiet ist das ja alles sich selbst überlassen. Auch eine Herde alter Pferderassen lebt wild dort im Gebiet. Okay, die kriegen Futter hingestellt, können sich aber frei über die Auen bewegen. Einen tollen Ausblick hatten wir von einem ehemaligen DDR-Wachturm. Die Elbe war ja zugleich auch Grenze. Störche fliegen da rum und wir haben Milane kreisen sehen.

Ein paar beigefarbene, stämmige Pferde und mehrere Fohlen scharen sich um eine Futterkrippe.
Die „Wildpferde“ in der Elbtalaue.

Also nochmal hin?

Auf jeden Fall. Nächstes Mal mit Fahrrädern. In der Gegend gibt’s echt viel Natur und natürlich Geschichte wegen des früheren Grenz-Sperrgebiets. Das find ich auch sehr interessant.

Ein richtig krasser “Lost Place”: Lenzen

Davon war auch die Stadt Lenzen betroffen, oder?

Genau. Wobei “Stadt” schon gewagt ist. Ja, Lenzen gilt als Stadt und neun umliegende Ortschaften gehören als Ortsteile auch dazu. Aber alle zusammen bringen es wohl auf nur auf etwas über 2000 Einwohner. Inklusive Lenzen. Jedenfalls ja, Lenzen lag bis 1972 im Sperrgebiet und jeder, der dorthin wollte, wurde kontrolliert. Auch die Einwohner. Nach 1972 wurde die Stadt aus dem Sperrgebiet entlassen, aber sie lag trotzdem direkt an der Grenze. 

Alte Fachwerkhäuser, die an einem kopfsteingepflasterten Bürgersteig stehen. Die Straße ist leer. Einige Häuser stehen ebenfalls sichtlich leer, die Rolladen sind heruntergelassen.
Blick auf die Bundesstraße 195, die hier mitten an Marktplatz und Kirche (beides rechts vom Ausschnitt) vorbeiführt.

Und wie hat dir Lenzen gefallen? Wie ist die Stadt so?

Puuh. Ich hab sowas noch nie gesehen und kann noch immer nicht so genau in Worten ausdrücken, was mich so beeindruckt hat. Also erstmal: Die Altstadt ist ganz anders als andere Altstädte. Du kennst das ja. Hübsche Altstädte sind fast immer Fußgängerzonen, wo sich Klamotten-Kette an Optiker-Filiale an City-Supermarkt an Altstadt-Café reiht. Und zwischen allem jede Menge Leute. Altstädte sehen hübsch aus, aber “alt” ist nur die Bausubstanz. Die Geschäfte sind ganz oft Filialen irgendwelcher Ketten. Also eigentlich sind Altstädte ganz oft große Einkaufszentren.

Okay, jetzt wo du es sagst… Und Lenzen ist das nicht?

Nein, Lenzen ist das Gegenteil. Also ja, es gibt eine tolle Altstadt mit wunderschönen, alten Fachwerkhäusern. Ich habe gelesen, dass jedes vierte Haus denkmalgeschützt ist. Aber es gibt keine Fußgängerzone…

Gelb leuchtende Straßenlampen erhellen eine Straße mit Fachwerkhäusern. Keine Autos weit und breit, auch nicht am Straßenrand.
Lenzen am Abend: Die Straßen sind gut beleuchtet, die Häuser lassen das Städtchen richtig pittoresk erscheinen – und es ist überhaupt nichts los.

… also alles voller Autos? Wtf?

… nein! Kaum Autos. Die Altstadt wirkt wie ausgestorben. Wir sind teilweise mitten auf den Straßen spaziert und nur selten kamen Autos. Auch an den Bürgersteigen parken kaum Autos. Und ich habe genau Null Peek & Cloppenburg, Fielmann & Co. gesehen. Es gibt dort einfach absolut überhaupt keine Filialen großer Ketten. Das Fehlen der typischen Logos und Schaufensterauslagen, die man aus anderen Städten kennt, lässt Lenzen irgendwie anders wirken. Die Lenzener Altstadt wirkt einfach … authentisch. Wie ein Blick ins Jahr 1960, wie aus der Zeit gefallen. Weniger Einkaufs-Disneyland, mehr alte Stadt “wie früher”. Nur ohne Leute.

Kleine, niedrige Hütte, die direkt in ähnlich kleine Häuser links und rechts davon übergeht. Zentral ist eine Haustür, links davon zwei Fenster mit geschlossenen Fensterläden, rechts der Haustür ebenfalls ein Fenster. Die Läden sind teilweise offen. Das Haus steht leer. Auf einem schmalen Streifen zwischen Haus und Bürgersteig wächst Unkraut.
An der Hamburger Straße (B 195) Richtung „Neustadt“ werden die Häuser kleiner. Dieses hier steht zwischen zwei bewohnten kleinen Häuschen. Es steht mitten im Ort!

Du magst wohl keine Altstädte?

Doch, eigentlich schon, aber Lenzen hat mir gezeigt, was mich an vielen Altstädten so stört. Was in Lenzen auf den ersten Blick auffällt, sind die vielen verlassenen Häuser in der Altstadt. Also wirklich viele. So viele Häuser verfallen. Die Rolläden sind unten, die Fensterläden geschlossen, die Farbe blättert ab, das Fachwerk liegt frei, Scheiben sind kaputt. Das wirkt aber nicht, als wären Vandalen am Werk. Ich hab eher die ganze Zeit an Lost Places gedacht. Ich glaube, das trifft es gut. Und es ist so still in der Altstadt. Abends haben wir von der Straße aus einen Uhu gehört. In der Stadt!

Das Haus hat einen tiefen Hauseingang. Eine zweiflügelige Holztür mit Schnitzereien führt ins Haus. Die Seiten des Eingangs sind mit Holz vertäfelt, ein Tonnengewölbe schließt nach oben ab.
In diesem Haus nahe des Marktplatzes haben wohl reiche Bürger gewohnt. Der Hauseingang sieht schon recht präsentabel aus.

Das muss ja müllig aussehen. Graffitis überall und herumliegender Müll?

Nein, gar nicht! Es gibt keine Graffitis und keinen Müll, im Gegenteil. Lenzen wirkt wie eine Geisterstadt. Und trotzdem leben dort Menschen. Keine Ahnung, wie viele Häuser leer stehen, vielleicht ein Drittel? Oder mehr? Bei nur 2000 Einwohnern, die wohl zum größten Teil auch nicht in der recht großen Altstadt wohnen, ist das auch verständlich. Ein großer Teil der Häuser ist jedenfalls dringend sanierungsbedürftig, manche davon sind auch bewohnt. Es gibt auch ein paar Geschäfte, oder zumindest Überbleibsel davon. Aber lokale Händler und Handwerker sowie auch ein bisschen Gastronomie, keine großen Ketten weit und breit.

Foto eines Hauses mit Schaufenster. Im Schaufenster stehen zwei Schneiderpuppen, die aufwändige Papierkleider tragen. Das sieht eher nach Kunst aus als nach "Elektrofachgeschäft", wie auf dem Schild über dem Schaufenster zu lesen ist.
„Haushaltswaren, Beleuchtungskörper, Rundfunkgeräte, Geschenkartikel“ wurden hier mal verkauft. Diese Zeiten sind wohl vorbei.

Du findest es gut, dass alles verfällt und verlassen ist?

Ach maaaan, natürlich nicht. Mir tut Lenzen leid. Wir haben ein Eisenwarengeschäft gesehen, das seit 1897 bestand. Auf dem Schaufenster steht “120 Jahre Jubiläum”. Und es hat in den letzten Jahren geschlossen, nach all der Zeit. Im Schaufenster gibt es Fotos aus diesen 120 Jahren. Es ist traurig und schade. Offenbar hat Lenzen schon vor der Wende viele Einwohner verloren, eben wegen der Lage im/am Sperrgebiet und der Schwierigkeiten, die damit verbunden waren. Und nach der Wende wurde es nicht besser. 

Klar, irgendwann ziehen die Jungen weg und die Alten sterben. Und wer zieht dann schon in eine Fast-Geisterstadt, um neues Leben reinzubringen? Das ist richtig traurig. 

Ja, ist es. Aber nicht alle Häuser sind baufällig?

Nein, es gibt auch Initiativen, um den Verfall zu stoppen. Viele Häuser wurden seit den 90ern saniert und stehen gut da. Wir haben auch ein komplett entkerntes Fachwerkhaus gesehen, von dem nur noch die ursprünglichen Holzbalken stehen. Sonst nichts mehr. Ein reines Haus-Skelett. Daran wird aktuell gearbeitet und das wird irgendwann wieder bewohnbar sein. Das gibts auch. Aber das kostet natürlich ein elendiges Geld. Ich würde der Stadt wünschen, dass die Altstadt irgendwie wiederbelebt wird, aber sie nicht zu so einem Konsumtempel wird wie andere Altstädte. “Bewahrung des ursprünglichen Charakters” oder so.

Also du magst die Altstadt, weil sie so anders ist?

Genau. Wir sind mehrere Stunden durch hoffentlich alle Straßen gebummelt. Lenzens Altstadt wirkt gerade wegen der alten, unrenovierten Bausubstanz, der fehlenden modernen Geschäfte und ohne die Fußgängerzone, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Ich kenne das sonst eher aus italienischen Städten. Nicht von Florenz, das ist eine Touristen-Hölle. Eher Albenga. Nicht so bekannt, nicht so hochglanzpoliert wie Florenz, und gerade abplatzende Farbe und freiliegende Mauern lassen die Stadt authentisch und charmant wirken. Mir gefällt Lenzen wirklich besser als Florenz.

Stufen führen zu einer stark verwitterten zweiflügeligen Holz-Haustür. Im oberen Drittel der Flügel befindet sich jeweils ein Sprossenfenster, dahinter hängt eine gehäkelte, weiße Gardine. Das Haus wirkt unbewohnt.
Könnte Italien sein, ist aber Lenzen: Dieses Haus befindet sich nahe des Marktplatzes. Die Haustür wirkt wie aus einem Freilichtmuseum.

Merkwürdige Lage für ein veganes Hotel in so einer Stadt, oder?

Oh ja. Während unseres Aufenthalts hab ich schon gedacht, dass manche Einwohner sicher abfällig auf das “hippe vegan-Hotel” schauen. Vegan gibt’s eher in Großstädten und nicht auf dem Land. Und entsprechend hochnäsig und fehl am Platze stellt man sich sicher auch die Hotelgäste vor. Aber vielleicht hilft das Hotel auch. Es scheint in der grünen/alternativen Szene beliebt zu sein und gibt selbst an, dass es mit 25 Angestellten “einer der größten Arbeitgeber in der strukturschwachen Region” ist. Die Gäste sind zahlungskräftig und wollen unterhalten werden. Vielleicht ist das eine Chance für den Ort und die Gegend. 

Danke für das Interview, Lucyda!

Ja, danke für das Interview, Lucyda :D

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