Grenzwertiger Kommentar: Kleine, saubere Elder Scrolls Online-Welt

Also bei aller Toleranz und Fortschritts-Befürwortung. Und bei aller Liebe zu Elder Scrolls Online
ESO ist jetzt mittlerweile Free to play, sprich: ohne monatliches Abo spielbar. Daher schaue ich auch wieder öfter rein und freue mich einfach über die fantastische Grafik – bis kommenden Dienstag Witcher 3 erscheint, dann ist vermutlich eh alles andere schlecht :D

Jedenfalls. ESO ist ein tolles Spiel. Zwar sehr modular – man weiss, was einen erwartet, wenn man einen Eingang betritt, der mit einer Fackel gekennzeichnet wird (Himmelsscherbe absorbieren, Höhlenboss killen, max 10 Minuten insgesamt), aber landschaftlich einfach schön.
Aber das hier NERVT mich einfach.

Dialog in einem mittelalterlichen Fantasy-Setting
Dialog in einem mittelalterlichen Fantasy-Setting

Ich gehe auf in Tamriels Welt, ich fühle mich hier als Hochelf, handle entsprechend. Außerdem bin ich natürlich Held, auserwählt, etc. usw., aber grundsätzlich befinde ich mich in einer mittelalterlich angehauchten Fantasy-Welt mit Königen, verschiedenen Fraktionen, Aufständischen usw.

Es ist jetzt „schon“ (ich bin Veteran Rang 2) die zweite Quest, in der ein NPC seinen gleichgeschlechtlichen Partner von mir gerettet sehen will. Erst ein männlicher NPC „seinen Mann“ (ich dachte, wtf, ist das ein Schreibfehler…?) und jetzt eine weibliche Kapitänin „ihre Frau“.

Diese Stufe der erzwungenen Toleranz ist mir noch nirgends untergekommen oO Selbstverständlich gehören Homosexuelle in unseren Alltag, man muss sie auch nicht besonders kennzeichnen. Selbst heute würde man allerdings erstmal verwirrt schauen, wenn jemand ganz natürlich in einen Satz einflicht, dass er homosexuell ist. Man erwartet es nicht unbedingt sofort, kann darauf aber ohne große Verluste völlig normal reagieren.

Wirkt das in einer mittelalterlichen Welt glaubwürdig? Nein … Die Kapitänin sagt mir, sie sucht ihre Frau. Ich bin Hochelf, ich bin arrogant, wir gehören zu der Rasse, die Tamriel regieren sollte. Wir lassen uns nicht von irgendwelchen Echsen, Katzen oder Barbaren herumscheuchen. Wir verstehen „Homosexualität“ nicht auf Anhieb. Natürlich sind wir tolerant und legen Wert auf lange, platonische Beziehungen, und es ist auch jedem seine eigene Sache, was er in seiner Behausung treibt. Ich verstehe, wenn eine Elfin ihren Mann sucht, denn sie hat sicherlich eine lang andauernde und tiefe emotionale Bindung zu ihm. Sonst würde sie ihn sicherlich nicht suchen – er hat ja schließlich selbst genug Erfahrung, um auf sich aufzupassen. Ich verstehe auch, wenn eine Elfin ihre Freundin sucht, es handelt sich sicherlich um eine junge und unerfahrene Elfin, die wie unsere Königin Ayrenn nicht einmal ihr neunzigstes Lebensjahr erreicht hat. Da macht man sich Sorgen. Ich wünsche mir also eine Dialogzeile, mit der ich mein Gegenüber fragen kann, ob ich mich verhört habe. „Eure Frau? Ihr meint Eure Freundin? Oder Euren Mann?“

Diese Zeile gibt es aber nicht. In ESO wird ein Mann als heterosexueller Partner genauso wie als homosexueller Partner vorausgesetzt (bei Frauen äquivalent natürlich genauso). Sehr fortschrittlich, könnte man sagen. Dennoch – ich stolpere jedes Mal (bisher zwei mal ^^) darüber. Würde mich gern mal mit einem Homosexuellen darüber unterhalten, ob er diese vollkommene Gleichsetzung begrüßt oder ebenso störend findet wie ich.

Klar, natürlich sind Homosexuelle hier in ESO die absolute Ausnahme, normalerweise suchen Frauen ihre Männer, junge Recken möchten ihre Angebete beeindrucken usw., aber dennoch – und vielleicht gerade deswegen – stechen die kurzen, vollkommen unkommentierbaren Ausflüge in „alternative Lebensmodelle“ für mich so negativ hervor.

Wenn wir jetzt in Witcher wären, dann könnte ich mit absoluter Sicherheit iiiiirgendeinen dummen Kommentar im Dialog auswählen, wenn ich wollte. Werde ich ja ab Dienstag sehen :D Es würde in ESO schon helfen, wenn diese Geschichten einfach irgendwie anders präsentiert werden würden. Von wegen „Wir haben eben diese Gefühle und haben Angst vor der Gemeinschaft des Dorfes und mein Mann ist weg“, das mir ein männlicher NPC entgegenstammelt. Aber nein, es mangelt hier ganz und gar an Atmosphäre.

Allgemein – ESO greift auf ältere Spiele zurück. Wir sind der strahlende Held und werden auch genauso behandelt. Das ist schön, besonders fürs Ego (oder auch nicht?). Es gibt die heile oder auch nicht ganz so heile Welt, in der es vor Magiern, Rittern, Kriegern, Assassinen und Waldläufern nur so wimmelt. Ganz selten kann man mit den NPCS/Questgebern aber mal auf persönlicher Ebene interagieren. „Rette dies, rette das“, „hilf mir bitte mit x“ oder „verfolge unbedingt diesen weltrettenden Hinweis“, aber niemals ein „Du willst die große Heldin sein? Da lache ich mich ja kaputt“ oder sowas.

In dieser Hinsicht sind wir wohl auf den Witcher angewiesen.

Wie dem auch sei. ESO ist dennoch ein schönes Spiel, wie eingangs erwähnt.

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