In seiner Proxima-Trilogie schickt Brandon Q. Morris seine Leser auf eine außergewöhnliche Expedition zu einem Planeten, der um den Stern Proxima Centauri kreist – unseren nächsten stellaren Nachbarn, „nur“ etwa 4 Lichtjahre entfernt. Von hier fing die Erde Hilferufe einer außerirdischen Spezies auf. Eine inoffizielle Mission wurde losgeschickt, um zu schauen, was auf Proxima Centauri b, einem womöglich bewohnbaren Planeten, vor sich geht. Einzige Teilnehmer der Mission sind Adam und Eva, die während der langen Reise zu Proxima Centauri an Bord der Messenger geboren wurden, aufgezogen allein von der KI Marchenko.
Die Proxima-Reihe – Handlung
Die Reise zu Proxima Centauri b beginnt um 0 Uhr am 1. Januar des Jahres 1. Zu diesem Zeitpunkt aktiviert sich Dimitri Marchenko selbst und beginnt, ein Logbuch zu führen. Welches Jahr wir gerade auf der Erde haben, wissen wir nicht. Marchenko, einst Teilnehmer an der Enceladus-Expedition des gleichnamigen Buches und eindeutig ein Mensch, ist die Künstliche Intelligenz (KI) an Bord der Messenger. Wie der Mensch Marchenko als KI-Steuerungseinheit eines interstellaren Raumschiffes wurde, das mit einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit auf dem Weg zu einer fremden Sonne ist, weiß er selbst nicht. Aber das ist auch egal. Marchenko steuert die Messenger nicht nur, er IST die Messenger. Und sein Auftrag lautet, Proxima Centauri b zu erreichen und zu untersuchen, was dort passiert ist. Kontakt zur Erde hat er nicht – ist auch nicht vorgesehen und die Erde ist außerdem auch über drei Lichtjahre entfernt. Er ist also auf sich allein gestellt. Aber das reicht, denn Marchenko verfügt nicht nur über enormes Wissen und Rechenkapazitäten, sondern auch über Nano-Fabrikatoren, winzige Geräte, die aus ein wenig Materie alles herstellen können.
Und das ist auch dringend notwendig, denn die Messenger ist nur wenige Zentimeter lang. Sie wurde von der Erde aus mit Laserstrahlen beschleunigt und muss bis zu ihrer Ankunft im Proxima-System noch einiges vorbereiten. Unter anderem die menschliche Besatzung. Mit an Bord befindet sich die DNA für zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, die nicht nur erst noch geboren werden müssen, sondern bei ihrer Ankunft in 18 Jahren außerdem optimal auf ihre Aufgabe zur Erforschung eines Exoplaneten vorbereitet sein sollen. Richtig gelesen! Marchenko muss sein Raumschiff nach und nach vergrößern und vorbereiten, damit dort zwei Menschen, treffend Adam und Eva genannt, heranreifen und aufwachsen können.
Die DNA für Adam und Eva wurde im Labor so modifiziert, dass die beiden über möglichst viele nützliche Eigenschaften für ihre Mission verfügen und zudem auch besser gegen verschiedene Umweltwidrigkeiten gefeit sind. Wie es sich auf die menschliche Psyche auswirkt, ohne Vater, Mutter oder andere Menschen aufzuwachsen, auf kleinstem Raum ganz allein im All – das war nicht so wichtig. Und so wird Marchenko, ein menschliches Bewusstsein in einer Maschine, Milliarden Kilometer entfernt von der Sonne, zu einem ungewöhnlichen Vater für zwei ungewöhnliche Kinder.
Die Reise zu Proxima Centauri nimmt tatsächlich etwas über die Hälfte von Proxima Rising ein. Als Marchenko, Adam und Eva schließlich ankommen, müssen sie sich auf ziemlich lebensfeindliche Verhältnisse einstellen. Trotzdem machen sie sich schließlich auf die Suche nach den Überresten der Zivilisation, die vor vielen Jahren einen Hilferuf an die Erde gesendet hat.
Proxima Rising
Titel: Proxima Rising
Veröffentlichung: 23.07.2017
ISBN: 978-3947283088
Seiten: 380 + Anhang (Die neue Biografie der Exoplaneten)
Proxima Dying
Titel: Proxima Rising
Veröffentlichung: 4.12.2017
ISBN: 978-3947283125
Seiten: 303 + Anhang (Die neue Biografie der Dunklen Materie)
Proxima Dreaming
Titel: Proxima Rising
Veröffentlichung: 28.03.2018
ISBN: 978-3947283187
Seiten: 364 + Anhang (Die neue Biografie außerirdischen Lebens)
Rezension der Proxima-Reihe
Proxima Rising, der erste Band, hat mich von Anfang an gefesselt. Morris schreibt die Geschichte zu Beginn in Form eines Logbuchs von Marchenko und demnach aus der Ich-Perspektive. Nach der Ankunft auf Proxima Centauri b erleben wir auch Adams und Evas Sicht – teilweise überlappen sich die verschiedenen Sichten sogar. Noch deutlich später kommen auch noch zwei andere Perspektiven hinzu, über die ich hier aber nichts verraten will :D
Aber um auf die Geschichte zurückzukommen: Der langsame Ausbau der Messenger zu Beginn von Proxima Rising ist wirklich toll beschrieben. Allerdings zweifle ich an der Realisierbarkeit: Um das Raumschiff auszubauen und zu vergrößern, muss es während seines Fluges winzige Materiepartikel aufnehmen. So viel ist im interstellaren Raum zwischen den Sternen aber nicht davon zu finden. Aber naja, lassen wir das mal beiseite. Ich fand es einfach interessant, Marchenkos Berichten zu folgen, wie groß das Schiff mittlerweile ist und wie er, Marchenko, auf Probleme reagiert. Manchmal fühle ich mich sogar ein wenig an Andy Weirs Der Marsianer erinnert: So viele kritische Momente, so oft hängt das Überleben der kleinen Crew am seidenen Faden.
Ich habe die drei Bücher gern gelesen, aber insgesamt ist die Story ziemlich dünn. Es gibt in dieser Geschichte nichts bahnbrechend Neues, keine überraschenden Story-Twists und die Endphase der Geschichte, etwa ab der Hälfte von Proxima Dreaming, wirkt mit einer breit ausgetretenen, irgendwie unglaubhaften Bedrohung erst künstlich aufgeblasen und dann zu schnell beendet. Ich habe das Gefühl, Morris hatte selbst keine Ideen, wohin die Reise führen soll. Und die Frage, was mit dem Hilferuf war, behandelt er auch nicht mehr. Es gibt eine dünne Erklärung dafür, aber für mich bleibt sie unlogisch (warum dieser Hilferuf ausgerechnet an die Erde?!). Und so bleibt das Ende einfach nur ziemlich schwach. Auch die Andeutung von geheimen Informationen des „Schöpfers“, der die Messenger losgeschickt hat, verfolgt Morris leider nicht weiter.
Eine ungewöhnliche Expeditionsmannschaft
Aber das macht nichts, bei dieser Geschichte ist eindeutig der Weg das Ziel! Marchenko, die KI, ist im Grunde unsterblich. Er könnte sich auch auf die Reise ins Zentrum der Galaxie machen – diese Zeit hätte er und es kommt ihm auch manchmal in den Sinn. Da er aber in seinem früheren Leben selbst Mensch war, konzentriert er sich voll und ganz auf Adam und Eva, seine beiden „Kinder“, die nur deswegen existieren, weil Marchenko sie seit dem Wachstum ihrer ersten Zellen behütet hat. Und so ergibt sich hier ein merkwürdiges Dreieck aus zwei Menschen, die nie andere Menschen kennengelernt haben, und einem ehemaligen Menschen, der die beiden anderen mehr liebt als sein eigenes künstliches Leben.
[Marchenko hat Eizellen befruchtet, aus denen einmal Adam und Eva werden sollen]
Ich untersuche die künftigen Passagiere durch die Augen der Brutkammer, erst Eva, dann Adam. Ein dreidimensionales Mikroskopbild erscheint in meinem Bewusstsein. Es ist noch nicht erkennbar, was einmal aus ihnen werden wird, sie bestehen erst aus je vier Zellen. Aber sie sind wunderschön. Ich glaube, dass ich sie sogar dann auseinanderhalten könnte, wenn ich nicht wüsste, wer sich in welcher Zelle befindet. Aber das ist vermutlich Einbildung oder der Stolz des werdenden Vaters. Ja, ich bin wirklich stolz auf sie, obwohl ich weiß, dass sie keine meiner Erbanlagen tragen. Das ist egal. Ich werde sie so lange begleiten, wie sie mich brauchen.
Vorsorglich speichere ich das Bild ab, um es ihnen später vielleicht einmal zeigen zu können.
Ab heute werden Adam und Eva Tag für Tag wachsen, bis sie irgendwann reif genug sind, um geboren zu werden.
Proxima Rising, S. 49
Gerade letzteres kommt immer wieder deutlich hervor, wenn Eva oder Adam irgendwie in Gefahr geraten – was oft der Fall ist. Marchenko schreibt dann immer, wie sehr er einen Schreck bekommt und wie er verzweifelt alles dafür tut, dass die beiden davonkommen. Auch, wenn die beiden Teenager-Allüren zeigen und gegen Marchenko rebellieren, merkt man ihm an, wie schwer es ihm fällt, ihnen mehr Freiräume zu lassen, aus Angst, es könnte etwas passieren. Dieses Dreiergespann ist daher irgendwie schöner als jede andere Expedition mit zufällig aneinander geratenen Erwachsenen. In der Proxima-Reihe ist der Expeditionstrupp eher eine kleine Familie, die genau weiß, dass sie sonst niemanden hat. Deswegen ist jedes Mitglied so wertvoll.
Und deswegen hat diese Expedition ein ganz anderes Flair, als wir es beispielsweise aus Lems Der Unbesiegbare mit der dortigen straffen Mannschaftshierarchie und dem schweren Expeditionsgerät kennen. In der Proxima-Reihe sind die drei ganz auf sich gestellt und müssen sich zum Beispiel auch mal ein metertiefes Loch in den Boden graben, um dem gefährlichen Strahlenausstoß des Zentralsterns zu entgehen.
[Bei der Erkundung einer Höhle wird Eva von einem plötzlich aufgetauchten, fledermausartigen Wesen umgeworfen, das sich dann auf sie setzt]
Ich schalte auf den Bordfunk um. Gut, dass Eva ihren Helm aufgesetzt hat.
„Bleib ganz ruhig“, sage ich.
„Vschs“, höre ich Eva krächzen. Anscheinend drückt das Tier mit seinem Gewicht auf ihren Brustkorb. Ihr Herz schlägt schneller, doch ihre Vitalfunktionen sind nicht besorgniserregend. „Stress abbauen“, empfiehlt der Computer. Mein Stresspegel steigt auf den Maximalwert.
Die Fledermaus scheint ruhig dazusitzen. Ob sie jetzt überlegt, was sie mit ihrer Beute anstellt? Ob sie sie gleich verdaut, oder lieber Teile herausreißt, um sie an ihre Brut zu verfüttern? Ich habe grässliche Angst um Eva und muss mich zwingen, nicht unüberlegt zu handeln. Adam scheint ähnliche Befürchtungen zu haben. Er hat seine Hand erhoben und will anscheinend auf das Ding losgehen.
„Nicht, Adam“, sage ich über den Helmfunk. Ich bin selbst überrascht, dass er stehenbleibt. […..] Da Anzug und Helm geschlossen sind, sehe ich keine unmittelbare Gefahr, so beängstigend die Situation auch scheint.
„Eva, es leckt dich bloß ab. Keine Sorge.“
„Sr schwr“, presst Eva heraus.
Proxima Rising, S. 210
Insgesamt drängt sich mir allerdings die Frage auf: Wozu sind Adam und Eva überhaupt da? Wozu der Aufwand, zwei Menschen zu züchten, wenn doch eine KI die Aufgabe genauso – und wahrscheinlich sogar besser übernehmen könnte? Zwei Menschen, die sich ihr Schicksal nicht ausgesucht haben und die sich als bewusst aus der Menschheit ausgestoßene Verbannte sehen müssen und die deswegen kein großes Interesse daran haben, einen Auftrag auszuführen, der ihr Lebenszweck sein soll.
[Marchenko zieht Adam und Eva auf einem großen Schlitten mit Wohnzelt durch eine extrem kalte Eislandschaft. Eines Morgens ist Adam verschwunden.]
„Adam“, ruft sie. Keine Antwort. Sie ruft noch einmal, aber nichts passiert. Ein dritter Ruf, da dreht sich Marchenko um.
„Pssst“, sagt er über den Helmfunk. „Adam schläft doch im Zelt.“ Dabei wird er langsamer.
„Im Zelt ist er nicht, wie kommst du darauf? Ich suche ihn gerade hier draußen.“
„Sag das noch mal.“
„Im Zelt ist er nicht. Hörst du mich nicht?“ In diesem Moment wird Eva klar, was das bedeutet.
„Scheiße, Adam ist weg. Halt sofort …“
Marchenko bremst den Schlitten abrupt. Eva rutscht nach vorn, doch er hält sie fest, bevor sie vom Schlitten fällt. Ein Vorratsbehälter entwischt ihm. Er bückt sich und stellt ihn zurück. Warum sagt er nichts? Eva wundert sich. Adam fehlt! Adam! Fehlt! Warum ist Marchenko so ruhig?
„Adam fehlt! Adam fehlt!“, schreit sie.
„Ich kann dich gut hören“, sagt Marchenko.
Proxima Dying, S. 97
Spannend oder langweilig?
Ich habe die Proxima-Trilogie innerhalb von nur zwei Wochen oder so gelesen. Das zeigt also, dass ich die Bücher spannend fand (ok, auf dem Kindle ist es auch so einfach, schnell das nächste Buch runterzuladen..). Mir hat die Entdeckungstour auf Proxima Centauri b viel Spaß gemacht. Einerseits war ich natürlich sehr neugierig, wer denn nun dieses Hilfesignal abgesetzt hat. Aber auch, weil mich die Konstellation Marchenko – Adam – Eva und ihre Dynamik immer bei der Stange gehalten haben.
Ich glaube, die Proxima-Reihe funktioniert nur dann gut, wenn sich der Leser gut in die Situation der Charaktere versetzen kann. Das hat für mich einen großen Reiz ausgemacht. Immer dieses Wissen, dass ich (als Adam oder Eva) ein „Verbannter“ bin. Die Erde habe ich nie gesehen und ich habe auch niemals die Chance dazu, das jemals nachzuholen. Proxima Centauri b ist lebensfeindlich, ohne Marchenko und meinen Bruder/Schwester wäre ich schnell tot.
Besonders drückend wird das, als Eva ohne ihre Gefährten auskommen muss und in einem fremdartigen Labyrinth ganz alleine herumirrt. So allein, wie es nur der letzte Mensch auf einem fremden Planeten sein kann. Ich war genauso erleichtert und glücklich wie Eva, als sie eine kleine Kundschaftersonde von Marchenko findet, mit der sie immerhin sprechen kann. Und ich finde es herzerwärmend, wenn Marchenko mal wieder beweist, wie bedingungslos er seine beiden Schützlinge liebt, dabei aber in seinem Roboterkörper gefangen ist. So kann er nicht wirklich als Mensch für sie da sein. Er kann mit ihnen keine Mahlzeiten teilen, sich bei ihnen über unruhigen Schlaf beschweren und er kann sie nicht wirklich in den Arm nehmen. Marchenko ist dazu verdammt, Adams und Evas Aufpasser-Maschine zu sein.
Aber wer für solche subtile Identifikationsspiele nicht so der Mensch ist und lieber einen extrem spannenden Handlungsbogen hätte, der wird die Reise des Trios tatsächlich wohl eher ziemlich langweilig und handlungsarm finden. Es handelt sich eben um eine Entdeckungsreise, und das bedeutet, dass die drei Gefährten wie in Herr der Ringe erstmal eine Weile wandern und sich mit den Widrigkeiten auf dem Weg herumschlagen müssen.
Beim Menscheln wird’s schwierig…
Morris schreibt die Geschichte ziemlich … glatt. Sein Sprachstil ist technisch-nüchtern mit gelegentlichen Ausreißern, wenn es emotional wird. Allerdings wirken auch diese Momente eher distanziert und emotionsarm. Der Auszug oben mit Eva, die Adam vermisst, ist schon eines der höheren Gefühle. Richtige Verzweiflung oder auch echte Freude oder sonstige, menschlicher wirkende Gefühle kommen nicht so wirklich rüber. In Marchenkos Abschnitten kommt aber gelegentlich ein leichter trockener Humor heraus.
Es kommt mir so vor, als verfügte Morris bei allem, was mit Menschen zu tun hat, über einen beschränkteren Wortschatz. Wenn ich da an andere Autoren denke, die sehr gewandt sowohl Technik als auch Zwischenmenschliches beschreiben – etwa Frank Schätzing in Limit -, ist das durchaus ein Defizit. Es mangelt ihm an einer süffisanten Sprache, die durch wohldosiert eingestreute Adjektive und Adverbien den Tatsachen auch mal ein wenig Farbe und Würze verleihen würden. Bei Morris gibt es einfach nicht viel zwischen den Zeilen zu lesen, Er schreibt eben, wie es ist, regt dabei aber nicht allzu sehr die Fantasie an.
Ich vermisse auch eine tiefere Beschäftigung mit der Gedankenwelt der beiden Menschen. Man muss sich das vorstellen: Sie wurden dazu geschaffen, um einen Auftrag auszuführen. Wie es ihnen damit geht, ohne Mutter, Vater oder sonstige Menschen aufzuwachsen, aber von der fernen Erde zu hören, das wäre interessant. Morris übergeht das, indem er sagt, Adam und Eva wären nicht gut auf die Erde zu sprechen. Es fehlt aber auch irgendeine Beschreibung, wie die Welt von Proxima Centauri b auf die beiden wirkt – immerhin ist sie für die beiden das erste mal, dass sie etwas anderes als ein Raumschiff von innen sehen. Wie ist es wohl, das erste mal Wind zu spüren oder die weite Welt um einen herum, anstatt nur die Leere des Weltraums in alle Richtungen außerhalb des Raumschiffs?
Hinzu kommen Morris‘ oftmals etwas ermüdenden Beschreibungen. Die fallen mir allerdings erst ab der Mitte von Proxima Dying auf. Er beschreibt dann mechanische Vorrichtungen und spricht beispielsweise von halbkügelförmigen Vertiefungen mit Öffnungen irgendwo und drumherum segmentweise angeordneten Symbolen. Da muss man schon sehr genau aufpassen und versuchen, sich das vorzustellen (was nicht immer einfach ist). Sonst kommt man nicht mehr mit und versteht dann ganze Absätze nicht mehr, weil man keine Idee davon hat, was der Autor genau beschreibt. Oder du hast eine genaue Vorstellung in deinem Kopf, aber es stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass es ganz anders sein muss.
„Ehre sei mit deinem Plex und mit dir“ – ACHTUNG Spoiler!
Sehr beeindruckend finde ich Morris‘ Fähigkeit, auch ganz einfach die Perspektive eines Außerirdischen zu einzunehmen. Im letzten Band schreibt er aus der Sicht von Gronar, dem Stärksten seines Plex. Was genau ein Plex ist, schließen wir aus dem Kontext. Gronar träumt von seiner Kindheit als … Kaulquappe oder sowas in der Art? .. und wie er versucht, nach dem Schlüpfen im Wasser allen seinen Geschwistern, seinem Plex, zuvor zu kommen und „die Dracht“ zu gewinnen. Immer wieder streut Morris bei seinen Erzählungen Begriffe ein, die deutlich machen, dass diese Außerirdischen eben keine Menschen sind, und deswegen muss er sie auch nicht erklären. Wir müssen ja nicht alles kennen. Als Zeiteinheit verwendet er etwa auch den Begriff „Blase“, vielleicht ist das die Zeit, die die Fremden unter Wasser ohne frischen Sauerstoff verbringen können.
Das frischt die gesamte Geschichte sehr auf und wird insbesondere dann sehr interessant, wenn Morris die Kontaktaufnahme zwischen den beiden Zivilisationen schildert. Eva beschreibt den Außerirdischen aus ihrer Sicht, Gronar beschreibt das merkwürdige, kleine Wesen, das nicht einmal Ultraschall wahrnehmen kann, aus seiner Sicht. Und zwar auch in der selben Szene. So verstehen wir auf einmal, dass das Näherkommen des großen Aliens nicht feindselig gemeint war, sondern eher der Versuch einer Kontaktaufnahme.
Diese Perspektivwechsel zu lesen macht wirklich großen Spaß. Hier hat Morris mich nochmal wirklich überrascht :D
Proxima Rising, Proxima Dying und Proxima Dreaming – Wertung
Die Proxima-Trilogie sind natürlich drei einzelne Bücher, aber da die Story nur zusammengenommen in sich abgeschlossen ist, kann man sie gut gemeinsam bewerten. Die Geschichte beginnt interessant und innovativ, wird dann von der Dynamik der drei Expeditionsteilnehmer getragen und erhält dabei Würze einerseits durch die ständige Neugierde, wie es denn nun weitergeht, und andererseits durch auftretende Probleme, auf die vor allem Marchenko reagieren muss.
Der letzte Teil (Teil, nicht Band!) schwächelt leider ziemlich stark, es wirkt, als habe Morris das Buch schnell zu Ende schreiben müssen, ohne eine Idee zu haben. Bei einer so langen Reise von der Erde bis zu einem fernen Exoplaneten, und all den Strapazen, die das Trio auf sich nimmt, wäre es einfach schöner gewesen, einen stimmigen Abschluss zu finden anstatt von Friede, Freude, Eierkuchen …. und das ist einfach ein unrühmliches Ende für eine Geschichte, die so fulminant begann, in eine abwechslungsreiche Reise auf dem Planeten mündet und interessante Perspektivwechsel im dritten Band bietet.
Dem ersten Band würde ich vier Sterne verleihen, dem zweiten drei und dem dritten wieder vier Sterne, wobei der abrupte, einfallslose Schluss im dritten Band meiner Meinung nur magere zwei Sterne verdient.
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